Max Stiegl ist einer der besten Köche Österreichs. Er macht sich wenig aus Auszeichnungen aber viel aus Familie und Nachhaltigkeit.
Max Stiegl, Koch des Jahres 2021 in Österreich, steht mindesten so unter Dampf wie seine Töpfe und Pfannen. Während er telefoniert, kocht er parallel weiter. Das hört man, weil es zwischendrin immer mal kräftig scheppert. Der 41-Jährige läuft herum, nimmt Lieferungen entgegen und bereitet mit seinem Team alles für die Gäste vor, die ab 12 Uhr kommen, wenn sein Restaurant Gut Purbach öffnet. Auf der Speisekarte stehen heute zwei Menüs: Das erste bietet Pannonisches Gemüsekistl, Pannonische Fischsuppe, Herz vom Oktopus, Lammbeuscherl, Kuttel Tajine, gesottene Lammstelze und zum Abschluss Purbacher Cremeschnitte. Beim zweiten gibt es Leberterrine, Gansl Ramen, confierter Magen, Purbacher Zander, Pannonisches Gansl, Käse von Herrn Dr. Gruber und Purbacher Mohnknödel. Der Gast kann zwischen vier, fünf, sechs oder sieben Gängen mit Weinbegleitung wählen. Wenn er dazu einen Krug Leitungswasser bestellt, dann gehen die Einnahmen dafür gänzlich als Spende an das St. Anna Kinderhospital. Diese Speisekarte enthält fast alle Zutaten von Max Stiegls Koch- und Lebensphilosophie.
Dazu gehört zum einen die Pannonische Küche. Pannonisch ist die Koch- und Esstradition des Burgenlandes und dessen umgebender europäischer Großlandschaft Ungarn, Slowenien und Kroatien. Der 1980 in Ex-Jugoslawien geborene Max Stiegl, lernt die regionale Hausmannskost der Pannonischen Küche bei seiner Mutter lieben, die selbst Köchin war. Mit zehn Jahren zieht er mit seiner Familie nach Salzburg, wo er in die Fußstapfen seiner Mutter tritt. „Ich habe immer gerne gekocht. Es gab für mich nicht viele Alternativen, denn ich bin gerne unter Menschen und ich bin ein Genussmensch“, sagt Stiegl. Nach der Schule absolviert er vier Jahre eine Kochlehre im Gasthof Abfalter in Salzburg und erhält direkt im Anschluss eine Anstellung als Koch im Restaurant Inamera in Rust. Mit 21 Jahren erhält er als jüngster Koch der Welt seinen ersten Michelin-Stern. Doch Max Stiegl hatte schon immer seinen eigenen Kopf und viele Ideen. Deshalb eröffnet er 2007 seine eigene Gastronomie – und macht seither vieles anders, als er es gelernt hat.
Zum Beispiel verwendet Max Stiegl keine exklusiven Zutaten, die von weither eingeflogen werden oder die besonders selten sind, wie es in noblen Restaurants oft üblich ist. Kochen ist für Max Stiegl keine Kunst, sondern ein Handwerk: „Ich koche das, was mir Spaß macht und was ich für gut empfinde, und das ist die gepflegte Hausmannskost. Mich ärgert der respektlose Umgang mit Lebensmitteln. Ich will nicht das hundertste Steak oder Schnitzel machen, sondern das ganze Tier verarbeiten, also auch Hirn, Zunge, Herz, Kutteln, Beuschel, Leber und Nieren.“
Mit dieser Philosophie erwirbt sich das Restaurant Gut Purbach am Neusiedler See im Burgenland schnell einen Ruf als Innereien-Haute-Cuisine. Aber nicht nur bei den Zutaten und der Zubereitet geht Max Stiegl seinen eigenen Weg. Auch seinen Mitarbeitern bietet er bessere Arbeitsbedingungen, als sie in der stressigen Branche sonst üblich sind. „Ich bin überzeugt: Die Herausforderung der Zukunft wird nicht sein, genügend Gäste anzusprechen – das schaffen erfolgreiche Gastronomen, seit es Restaurants gibt. Die Herausforderung der Zukunft wird es sein, genug und vor allem die richtigen Mitarbeiter zu finden.“ Deshalb hat er für die Mitarbeiter eine Vier-Tage-Woche eingeführt und auch die Bezahlung ist besser als anderswo. „Und geschrien wird bei uns in der Küche auch nicht“, darauf legt er Wert.
Berühmt wird der Sternekoch auch durch seine Sautänze. Was das ist? Max Stiegl erklärt es so: „Sautanz ist eine alte Tradition, die es früher überall auf dem Land gab. Sie betrachtet das Schwein als die Vorratskammer des Haushalts. Es wird über das Jahr gefüttert und im Herbst geschlachtet, um das ganze folgende Jahr über etwas zu essen zu haben.“ Heute veranstaltet Max Stiegl Sautänze auf Gut Purbach im November und Dezember. Dann wird ein Schwein geschlachtet und noch am selben Tag geschnitten, gekocht, gebraten, faschiert, ausgelassen, geräuchert, gesalzen und zu Filets und Schnitzeln, zu Würsten, Speck, Schmalz und Grammeln verarbeitet. Vom Rüssel über die Innereien bis zur Klaue findet alles Verwendung.
Max Stiegl erinnert sich, dass er herzlich aufgenommen wurde, als er mit seiner Familie nach Österreich kam. „Zuwanderer waren zu der Zeit in Österreich willkommen, es ging uns gut. Ich habe mich als Zuwanderer wohlgefühlt und viel Unterstützung erhalten, auch in der Schule.“ Auch als er sich später mit ein paar Tausend Euro Startkapital selbstständig macht, hat Max Stiegl einen Unterstützer, der von seiner Idee begeistert war und ihm die Location zur Verfügung stellte. Von dieser Großzügigkeit, die er erfahren hat, möchte er etwas zurückzugeben. Deshalb unterstützt Max Stiegl über das St. Anna Kinderhospital hinaus viele soziale Projekte und Vereine. „Ich stelle das Wir vor das Ich", sagt der 41-Jährige. "Ich spende zum Beispiel auch an die katholische Kirche, obwohl ich kein Katholik bin.
Der Vater von drei Kindern leitet neben dem Restaurant Gut Purbach auch die Küche im Hotel Knappenhof in Reichenau. Er tritt bei „Kitchen Impossible“ im TV auf, schreibt Kochbücher, produziert Wein und vermietet Gästezimmer. Auf die Frage, wo er die Energie dafür hernimmt, schwärmt er von seinen drei kleinen Kindern und deren „sensationeller Mutter“, die ihm den Rücken freihält.
Die vielen Auszeichnungen bedeuten dem Koch dagegen wenig. Das Restaurant war schon immer gut besucht und mehr Tische kann er ohnehin nicht anbieten. Es geht Max Stiegl nicht darum reich zu werden, vielmehr möchte er die ihm widerfahrene Gastfreundschaft multiplizieren. Für die Zukunft wünscht sich der Starkoch keinen weiteren Michelin-Stern, sondern Familienzuwachs: „Ich liebe Kinder. Ich habe schon drei, aber eigentlich hätte ich gern noch drei weitere.“