Gartenzwerg im Blumenbeet
100 Jahre Wohnen

Der Garten früher und heute – 100 Jahre Gartengeschichte

Garteln tut gut. Doch der Garten hat sich im Laufe der Zeit verändert, er dient zur Selbstversorgung, als Wohnraum im Freien oder als Öko-Oase. Wir erzählen die Geschichte der Gartenkultur in Österreich und bringen Ideen für die Gartengestaltung.

Lesedauer: 12 Min.
Vier Frauen mit Körben voller Blumen
Gartenparty in den 1920er-Jahren

Bürger und Bauern

Ein Garten ist Luxus. Die Bodenfläche und die Zeit, einen Garten zu pflegen, muss man erst einmal haben. Über einen Garten für Freizeit und Erholung verfügen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige wohlhabende Adelige und Bürger mit Landsitzen oder Villen am Stadtrand. Die Gärten sind repräsentativ angelegt, man lädt gerne zu Gartenpartys ein. Für die grobe Arbeit beschäftigt man einen Gärtner.

Garten
Bauerngarten in Trauttmansdorff bei Meran © Stefan Oemisch

Am Land haben die Bauern einen Selbstversorger-Garten direkt am Haus. Er ist nicht so idyllisch angelegt, wie er ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in der romantischen Malerei dargestellt wird. Stilfragen sind nebensächlich. Auf den Beeten baut die Bäuerin Kartoffeln, Gemüse und Kräuter an. Den Garten schmücken allenfalls wenige Blumen, die nicht viel Arbeit machen. Am Rand werden gerne Beerensträucher gepflanzt. Ein Zaun schützt die Leckereien vor Wild-, Hof- und Weidetieren.

Lesetipp: Artikelserie "100 Jahre Wohnen"

 

Als erste Bausparkasse in Österreich leistet Wüstenrot seit 1925 einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Wohneigentum. 

Entdecke hier unsere Artikelserie zu "100 Jahre Wohnen", die sich mit der Entwicklung des Wohnens im Laufe von 100 Jahren beschäftigt:

 

100 Jahre Eigenheim – die kurze Geschichte des Einfamilienhauses

100 Jahre Wohnzimmer – das Zentrum des Familienlebens

100 Jahre Kinderzimmer - Trends von früher bis heute

100 Jahre Esskultur – eine kleine Kulturgeschichte der Ernährung und des Essens 

100 Jahre Elektrogeräte – die Revolution im Haushalt

Frische Luft und Kartoffeln: Gärten für Stadtbewohner

Im Zuge der Industrialisierung wächst die Bevölkerung in den Städten innerhalb kurzer Zeit stark an. Vor allem die Arbeiterschicht lebt sehr beengt, die Luft wird von Fabriken verpestet. Bereits im 19. Jahrhundert fordert der Leipziger Arzt Dr. Moritz Schreber Grünflächen für Arbeiter. Die sollen ihnen Zugang zu frischem Obst und Gemüse ermöglichen und die Gesundheit vor allem von Kindern fördern. Er wird zum Namensgeber der Schrebergarten-Bewegung, die von Deutschland aus nach Österreich gelangt. 1904 wird bei Purkersdorf die erste Kolonie Österreichs errichtet.

Die Bewegung nimmt Fahrt auf, als während des Ersten Weltkrieges die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln schwieriger wird. Überall, wo Platz ist, werden Gärten parzelliert, in Wien entlang der Donau und auf brachliegenden Flächen in der Nähe von Fabriken oder Bahnstrecken. Angebaut werden hauptsächlich Kartoffeln und Gemüse. Viele ursprünglich nur als Provisorium genutzte Gartenflächen erhalten nach dem Krieg durch gesetzliche Regelungen einen dauerhaften Status. 1927 steht den Wiener Kleingärten eine Fläche von fast acht Millionen Quadratmetern zur Verfügung. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg tragen diese Nutzgärten zur Linderung der Nahrungsmittelknappheit bei.

Nach dem Krieg verringert sich die Zahl der Kleingartenkolonien. Die Flächen werden für den Wohnungsbau gebraucht.

Ab den 1970er-Jahren steht in den Gärten die Erholung im Vordergrund, das Erscheinungsbild wandelt sich hin zu steril wirkenden Rasenflächen, die Gartenlauben werden größer und solider. Seit Mitte der 1980er-Jahre machen sich Kleingärtner:innen vermehrt Gedanken über den biologischen Gartenbau und achten auf Pflanzen- und Artenvielfalt. Die zeitweise als spießig geltenden Schrebergärten sind heute auch bei jungen Menschen wieder gefragt wie nie und ein wichtiger Teil der städtischen Kultur.

Kleines weisses Haus in einem Schrebergarten
Idylle in der Stadt: Schrebergarten

Der Traum vom Einfamilienhaus

Ein eigenes Haus mit Garten – das konnten sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts nur sehr wohlhabende Familien leisten. Nach dem Ersten Weltkrieg beginnt sich das zu ändern. Um die große Wohnungsnot zu lindern, werden in den 1920er- und 1930er-Jahren Eigenheim-Siedlungen am Rande der Städte gebaut. Solche Projekte werden oft von der Regierung oder von Genossenschaften organisiert, um erschwinglichen Wohnraum für Familien mit geringem Einkommen zu schaffen. Auch die Bausparide erlebt zu dieser Zeit ihren Durchbruch. Sie ermöglicht Familien mit wenig Eigenkapital, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.

Die Eigenheime sind meist noch sehr bescheiden. Die dazugehörigen kleinen Gärten dienen so wie auch die Bauern- und Schrebergärten vorwiegend der Selbstversorgung. Statt um Rosen, Dahlien oder Tulpen geht es hier um Kräuter, Kohl und Kartoffeln.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden in Österreich immer mehr neue Eigenheime gebaut. Mit der Zahl der Häuselbauer steigt auch die der Gartenbesitzer. Der Bestand an Einfamilienhäusern steigt zwischen 1950 und dem Jahr 2000 von 560.000 auf zwei Millionen. Den größten Zuwachs gibt es in den 1980er-Jahren. Alleine in diesem Jahrzehnt werden 528.000 neue Einfamilienhäuser gebaut.

Frau die Gartenarbeit macht
Das Gemüsebeet hat ausgedient: Garten in den 1960er-Jahren

Vom Nutzgarten zum grünen Wohnzimmer

Die Versorgungslage bleibt nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange angespannt. Nahrungsmittelproduktion steht in den Gärten weiterhin im Vordergrund. Gemüsebeete dominieren, Zierpflanzen gelten als Luxus.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wird der Gemüsegarten nicht mehr gebraucht. Lebensmittel gibt es jetzt reichlich und zu günstigen Preisen im Supermarkt. Der Garten wird zu einem Ort der Erholung und Freizeitgestaltung. Und freie Zeit gibt es immer mehr, zwischen 1945 und 1970 sinkt die Wochenarbeitszeit in Österreich von 48 auf 40 Stunden. Der Garten wird neben der Gartenarbeit auch zum Sonnenbaden, Boccia-Spielen oder Grillen genutzt. Kinder dürfen herumtollen oder Kaninchen halten. Der Garten ist ein Rückzugsort, für viele aber auch ein Statussymbol, in dem man gerne Besucher empfängt.

Das Ideal sind jetzt repräsentative Ziergärten mit sorgsam getrimmten englischen Rasen. Zur aufwändige Gartengestaltung gehören Blumenrabatten, Ziersträucher, exotische Nadelbäume und Hecken. Ein Zierteich ist das i-Tüpfelchen. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wird nicht an Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutzmitteln gespart. Unkraut, Insekten und anderes Getier sind unerwünscht. Große Teile des Gartens verschwinden unter Stein- oder Betonplatten für Terrassen, Gartenwege und Abstellflächen. Dem persönlichen oder Zeitgeschmack entsprechend wird der Garten außerdem mit Garten-Deko ausgestattet. Der Buddha aus dem Baumarkt verdrängt den früher populären Gartenzwerg.

Eine Holzbank die mitten im Blumengarten steht
Insekten freuen sich: Blumenwiese statt Rasen

Zurück zur Natur

Ab den 1970er Jahren geraten die Schattenseiten des Fortschritts stärker ins Bewußtsein. Im Zuge größeren Umweltbewusstseins werden die Verschmutzung von Gewässern und der Luft sowie die Verwendung von Pestiziden, Insektiziden und Kunstdünger in der Landwirtschaft kritisiert. Es entsteht ein Bedürfnis nach natürlich hergestellten Lebensmitteln, erste Bauernhöfe stellen auf ökologischen Landbau um.

Naturnahe Gärten sind jetzt gefragt, es wird weniger gespritzt oder chemisch gedüngt. Gärtnerinnen und Gärtner nutzen ihren Garten wieder für den Anbau von Obst und Gemüse – ohne Chemie. Mit Hochbeeten geht das rückenschonend. Der Komposthaufen wird wiederentdeckt. Als Ausgleich für die zunehmend versiegelte Landschaft und die industrielle Landwirtschaft möchten Hobbygärtner:innen zur Biodiversität beitragen und ihren Garten zu einer Oase für Tiere und Insekten machen.

Das dramatische Insektensterben im 21. Jahrhundert ist für viele ein Anlass, nun erst recht tätig zu werden: mit einer insektenfreundlichen Blumenwiese statt monotonem Rasen, heimischen Pflanzen statt Exoten. Auch gut für Insekten und Igel: Öfter mal Fünfe gerade sein lassen, nicht so viel aufräumen, Blätter verrotten lassen. Wenn es summt und brummt in der Wiese und darüber Vögel zwitschern, dann hast du alles richtig gemacht.

Ein Schwimmteich verbindet Freizeitspaß mit ökologischen Mehrwert: Er schafft Lebensraum für Frösche, Libellen und Vögel. 

Gartenfreund:innen entdecken auch den Wert einer Vielfalt von Kulturpflanzen,  insbesondere alte und regionale Sorten. Diese haben mehr Geschmack, sehen interessant aus und sind widerstandsfähiger gegen Schädlinge. Der Verein Arche Noah sammelt zum Beispiel Saatgut von rund 5.500 gefährdeten Kulturpflanzen.

Aber auch heute gibt es Gartenbesitzer:innen, die Natur als störend empfinden. Sie pflastern ihre Gärten oder schütten sie mit Schottersteinen zu. Diese Gärten des Grauens ersparen immerhin die Gartenarbeit.

Vier Leute die Badminton spielen
Erholungsort Garten: Weniger Gartenarbeit, mehr Spaß

Der Klimawandel im Garten

Du kommst erst nicht mehr hinterher mit dem Gießen und dann schwemmt ein Starkregen plötzlich die Erde davon? Es wird so weitergehen. Die Folgen des Klimawandels sind im Garten immer mehr zu spüren. Es wird heißer und trockener, gleichzeitig gibt es mehr Unwetter mit Starkregen. Die Vegetationsperiode verlängert sich, Pflanzen blühen früher im Jahr. Nicht immer fliegen dann schon Bienen oder andere bestäubende Insekten. Wenn dein Garten günstig liegt, kannst du Feigen ernten und musst im Winter Kübelpflanzen nicht mehr zum Schutz in die Garage rollen. Der Klimawandel begünstigt aber auch das Auftreten neuer und invasiver Pflanzenkrankheiten sowie Schädlinge. 

Legst du gerade einen Garten an, empfiehlt es sich, Pflanzen auszusuchen, die gut mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen. Geeignete Stauden sind etwa der Natternkopf, Lein, Salbei, die Teppichglockenblume und robuste Rosensorten. An sonnig-trockenen Plätzen fühlen sich auch Kugeldistel, Königskerze und Bart-Iris wohl. Bei den Nutzpflanzen kannst du zu Handama (Okinawa-Spinat) greifen, auch Sommerportulak und Hülsenfrüchte kommen gut mit dem veränderten Klima zurecht. Lavendel und Rosmarin sind robust und brauchen nicht viel Wasser.

Auch die Gartengestaltung kannst du an den Klimawandel anpassen, etwa mit wasserdurchlässigen Wegen und Terrassen, mit begrünten Dächern und Fassaden sowie der Beschattung von Sitzbereichen durch Hecken oder Bäume. Bei Bäumen pflanzt du am besten resistente Sorten wie Feldahorn, Wildbirne und Wildapfel.

Blumen die um einen Baum wachsen
Guerilla Gardening: Wer garteln will, findet ein Platzerl.

Urban Gardening

Auch ohne eigenen Garten lassen sich schmutzige Fingernägel erarbeiten. Urban Gardening heißt die Parole für Stadtbewohner:innen, die sich Flächen für das „Garteln vor der Haustüre“ erobern: auf dem Balkon, auf Flachdächern, in Hinterhöfen oder auf Verkehrsinseln. Hochbeete kann man auch auf asphaltierte oder gepflasterte Flächen stellen. Wer ganz ohne Genehmigung gartelt, nennt das Guerilla Gardening: Du säst einfach irgendwo, wo es dir zu grau erscheint, Blumen und Gräser aus. Kaum jemand wird etwas dagegen haben. Gießen nicht vergessen!

FAQ - häufig gestellte Fragen

Hat der Rasen ausgedient?
Rasenflächen waren früher ein Zeichen von Reichtum. Britische Adlige demonstrierten mit riesigen Rasenflächen vor ihren Schlössern: Wir haben so viel Land, wir müssen nicht einmal alles bewirtschaften. Mal abgesehen vom großen Pflegeaufwand sind sie in ökologischer Hinsicht jedoch problematisch: Rasen braucht sehr viel Wasser und bietet Insekten, Kleintieren und Vögeln keinen Lebensraum. 

Wann kam Urban Gardening auf?
In den 1970er-Jahren in New York. Angesichts der vermüllten Straßenzüge Manhattans bilden sich Anwohner-Initiativen, die die Natur wieder in die Stadt holen wollen.

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