An einem Frühlingstag im Jahr 1950 fanden sich zahlreiche Menschen in einer ruhigen Straße am Rand von Wien ein, um gemeinsam mit der Familie Komarek die Errichtung des 1.000. Wüstenrot Eigenheims nach dem Krieg zu feiern. Als Andenken daran erhielt die Bauspar-Familie eine Gedenktafel. Seitdem belebten sechs Generationen das Haus, in dem heute – 75 Jahre später – die Familie Komarek noch immer wohnt. Wir haben sie besucht und mit ihr über ihr Zuhause und seine Geschichten gesprochen.
In einem Kundenmagazin aus 1950 stieß das Recherche-Team zum 100-Jahr-Jubiläum von Wüstenrot auf den Bericht zur Gedenktafelenthüllung des 1.000 Wüstenrot Nachkriegshaus in Wien. Auf vier Seiten und mit vielen Bildern wurde berichtet, dass sich zahlreiche politische Ehrengäste vor dem Holzhaus am Stadtrand versammelten. Gemeinsam feierten sie das Eigenheim der Familie Komarek, bestehend aus dem kleinen Hans und seinen Eltern, als Zeichen des Wiederaufbaus nach den Kriegsjahren.
Aus Neugier machte sich das Team deshalb auf den Weg, um herauszufinden, ob dieses Haus auch heute noch steht und wurde überrascht: Nicht nur, dass es sich noch immer dort befindet, auch die Familie Komarek bewohnt es nach wie vor und sogar die Gedenktafel existiert noch.
Die Komareks verbrachten ihr gesamtes Leben hier und kümmern sich noch immer voller Hingabe um ihr Zuhause. Viele Geschichten stecken in den vier Wänden – einige davon haben sie uns in einem persönlichen Gespräch erzählt.
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Wir haben den Bericht zur Gedenktafelenthüllung Ihres Hauses in einem alten Wüstenrot Magazin gefunden. Was ist Ihnen von diesem Tag in Erinnerung geblieben? Sie waren ja damals noch ein kleiner Junge.
Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war acht Jahre alt und dachte mir: „Wahnsinn, so viele Leute!“. Es ist zwar schon fast 75 Jahre her, aber ich sehe uns heute noch alle in der engen Gasse stehen. Es waren so viele Ehrengäste geladen – darunter auch der damalige Wiener Bürgermeister Theodor Körner. Er selbst war zwar leider krankheitsbedingt verhindert, dafür schickte er aber Stadtrat Leopold Thaller als seine Vertretung. Die Gedenktafel besitze ich übrigens immer noch und meine Tochter hat bereits angemeldet, dass sie die Tafel einmal übernehmen möchte.
Natürlich waren bei der Feier auch von uns alle versammelt, denn zu Beginn haben drei Familien in unserem Haus gelebt: meine Eltern und ich, außerdem ein älteres Ehepaar, die für mich wie Zieh-Großeltern waren und schließlich die Cousine meines Vaters mit ihrem kleinen Sohn.
Wie kam es zu dieser Wohngemeinschaft?
Meine Eltern und ich haben im 8. Bezirk gelebt, weil wir dort ein Lebensmittelgeschäft hatten. An den Wochenenden waren wir gerne und oft zu Besuch bei einem älteren Ehepaar, das in Grinzing ein Haus mit Garten hatte. Als sie plötzlich von dort wegmussten und damit ohne Wohnsitz waren, arrangierte mein Vater, dass wir mithilfe des Bauspardarlehens von Wüstenrot unser Haus bauten und das befreundete Ehepaar im Untergeschoß einziehen konnte. Sie waren wie meine Zieh-Großeltern und lebten bis in die frühen 1960er-Jahre hier bei uns. Im Gegenzug haben sie sich um den Garten gekümmert. Ich erinnere mich sehr gut daran, weil der „Großvater“ sehr streng war und immer geschimpft hat, wenn ich auf den Rasen gestiegen bin. (lacht)
Auch die Cousine meines Vaters suchte ein Zuhause für sich und ihren kleinen Sohn – also zogen sie bei uns ein. Mit dem Sohn der Cousine habe damals viel Zeit verbracht, weil wir fast gleich alt waren. Man kann sagen, dass wir fast wie Brüder aufgewachsen sind.
Wie lange leben Sie schon in Ihrem Haus?
Mittlerweile sind es 62 Jahre, dass wir hier unseren Hauptwohnsitz haben. Nachdem wir geheiratet haben, sind wir gemeinsam mit meiner Mutter eingezogen. Später kam auch noch meine Schwiegermutter dazu und dann natürlich unsere Töchter.
So wie Sie verwirklichen sich seit 100 Jahren Familien ihren Wunsch vom Eigenheim. Was wissen Sie noch über die Hintergründe zu Ihrem Haus?
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich mit meinem Vater zu unserem Baugrund gefahren bin. Damals war ich zirka sechs Jahre alt und saß am Sozius (Anmerkung: Beifahrersitz) einer „Ariel“ – das war ein uraltes Motorrad mit Beiwagen, das er zuvor erstanden hatte. Danach kaufte er das Grundstück. Da stand noch eine alte, verfallene Hütte und der Grund ging steil bergab. Mein Vater baute deshalb bald eine Mauer, damit der Hang nicht herunterrutschen konnte. Und im Anschluss haben wir dann schon mit dem Hausbau begonnen.
Woran erinnern Sie sich noch beim Hausbau?
Wir mussten alles händisch ausgraben und selbst machen. Dafür hat die gesamte Familie mitgeholfen. Und als wir mit dem Ausgraben endlich fertig waren, kam ein Unwetter und hat wieder alles zugeschüttet. Also mussten wir wieder neu ausheben. Aber dank des Zusammenhalts haben wir es schlussendlich geschafft.
Das Haus ist ein Holzriegelbau – das muss man sich so vorstellen, dass zuerst nur eine Art Skelett steht, das dann mit Eternit-Platten aufgefüllt wird. Der Vorteil ist, dass es innen immer sehr warm und angenehm ist und wir wenig Heizkosten haben. Überhaupt muss ich sagen, dass das Haus seit 75 Jahren gute Dienste leistet.
Das Haus wurde in der „Siedlung Geistiger Arbeiter“ errichtet. Wie war die Nachbarschaft damals?
Als wir hier bauten, war in der Umgebung noch nicht viel da. Gegenüber stand kein einziges Haus, wir hatten direkten Blick auf den Wald. Rundherum befanden sich nur Gärten, erst nach und nach wurde dann rundherum gebaut. Vor allem in den 1980er-Jahren sind die anderen Häuser dazugekommen. Aber trotzdem ist es heute auch noch immer sehr ruhig hier – das gefällt uns besonders: Man hört nur die Vögel zwitschern.
Mit Ihren „Zieh-Großeltern“, Ihren Eltern, Ihnen selbst, Ihren Kindern und nun bereits Enkel- und Urenkelkindern haben bis jetzt 6 Generationen dieses Haus mit Leben befüllt. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Wir hatten großes Glück und sind sehr froh darüber. Uns und unserer Familie geht es gut, wir führen ein sehr harmonisches Leben. Meine Frau und ich sind 1962 frisch verheiratet in das mittlerweile leere Haus gezogen und haben hier unsere Familie gegründet. Über all die Zeit ist es mit uns mitgewachsen.
Heute noch denke ich mir manchmal: „Diese Wand hat der Vater gebaut.“, wenn ich beispielsweise irgendwo reinbohre. Einmal habe ich auch ein anderes Haus gekauft, das eine wunderschöne Lage hatte und ganz neu war. Das habe ich hergerichtet und dann verkauft. Aber unser Haus hätten wir nie hergegeben, weil hier so viele Erinnerungen wohnen.
Sie haben gesagt, das Haus ist mitgewachsen. Was haben Sie im Laufe der Zeit verändert?
Als wir als Ehepaar einzogen, nahmen wir Rücksicht auf meine Mutter, die mit uns hier lebte. Wir wollten nicht zu viel auf einmal verändern. Deshalb haben wir das Haus nach und nach angepasst. Vieles davon habe ich selbst gemacht – vom Fliesenlegen bis zu den Elektro-Installationen. Ich sage gern: Es steckt nicht viel Arbeit in diesem Haus, sondern Liebe. Denn ich mache das sehr gern.
Das Erste, das wir verändert haben, war eine Heizung einzubauen. Bis dahin hatten wir nämlich nur einen Kachelofen zum Heizen. Früher war auch unten ein großer Kessel, in dem meine Mutter die Wäsche händisch wusch. Ich sehe sie jetzt noch dort stehen und mit dem großen Holzlöffel umrühren. Und heute drückt man nur mehr auf einen Knopf ... (lacht)
Draußen hat sich auch einiges verändert: Zu Beginn haben wir im oberen Garten von Gemüse bis Ribiseln und Marillen noch viel selbst angebaut und zum Teil verkauft. Aber als wir unsere Kinder bekamen, haben wir daraus eine Wiese gemacht, damit sie dort spielen können.
Was noch aus der Anfangszeit steht, ist der alte Zwetschkenbaum. Er ist zwar mittlerweile schon sehr karg, aber wir schneiden ihn nicht um, weil er ist unser „Vogerlbaum“ – da nisten und leben viele Vögel.
Auch heute mache ich vom Keller bis zum Dach die Arbeiten am Haus noch immer selbst, denn ich bin ein Reparierer und kein Tauscher. Meine Frau nennt mich auch immer ein „Wunderwuzzi“. (lacht) Nur einmal hat sich das Haus gewehrt: Da bin ich von der Leiter gefallen und zum Glück in den Büschen gelandet. Aber das war das einzige Mal.
Was ist das Beste an Ihrem Haus? Was ist Ihre persönliche Lieblingsecke?
Im Winter sitzen wir am liebsten auf der Couch – da ist es gemütlich und wir können von Fernsehen bis Lesen alles tun. Aber kaum wird es draußen wärmer, sind wir am allerliebsten draußen auf der Terrasse, umgeben von der Blumenpracht.
Unser Garten ist uns sehr wichtig. Ich habe auch schon einige Pflanzen gerettet, die nun bei uns ein neues Zuhause gefunden haben. Einmal habe ich zum Beispiel ein fast verwelktes Bäumchen im Supermarkt gesehen und mit nach Hause gebracht. Das habe ich aufgepäppelt und zum Dank hat es zu blühen begonnen. Ein anderes Mal wollte ein Bekannter zwei Zimmertannen wegwerfen. Ich habe sie aufgenommen und heute sind sie im Advent unsere kleinen Weihnachtsbäumchen.
Wir haben hinter unserem Haus auch noch einen Garten, aber den benutzen wir fast nie. Vorne bei der Terrasse haben wir unsere Blumen und die Vögel. Mehr brauchen wir nicht.
Als wir den Artikel im alten Wüstenrot Magazin über Ihr Haus entdeckten haben, sind wir losgezogen, um herauszufinden, ob es auch noch steht und vielleicht sogar bewohnt ist. Da haben wir Sie getroffen. Wie war das für Sie, als wir plötzlich vor Ihrer Tür standen?
Mein erster Gedanke, als ich gehört habe, dass Sie von Wüstenrot sind, war: „Ojeh, ist da noch eine Rechnung offen vom Vater?“ (lacht)
Aber wir freuen uns sehr, dass unser Zuhause und seine Geschichten so viel Aufmerksamkeit bekommen!
Wir sagen Danke für die kleine Zeitreise und wünschen noch viele weitere schöne Stunden in Ihrem Zuhause!
Als erste Bausparkasse in Österreich leistet Wüstenrot seit 1925 einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von Wohneigentum.
Entdecke hier unsere Artikelserie zu "100 Jahre Wohnen", die sich mit der Entwicklung des Wohnens im Laufe von 100 Jahren beschäftigt:
100 Jahre Eigenheim – die kurze Geschichte des Einfamilienhauses
100 Jahre Wohnzimmer – das Zentrum des Familienlebens
100 Jahre Kinderzimmer - Trends von früher bis heute
100 Jahre Esskultur – eine kleine Kulturgeschichte der Ernährung und des Essens