Ein Vater hält seine Tochter auf dem Arm und schaut sich sein Haus an
Mein Zuhause

100 Jahre Eigenheim – die kurze Geschichte des Einfamilienhauses

Das Einfamilienhaus ist die beliebteste Wohnform der Österreicher. Wir erzählen seine Geschichte und stellen unterschiedliche Baustile vor.

Lesedauer: 4 Min.

Home sweet home

Vier von zehn Österreichern haben sich den Traum vom Eigenheim erfüllt. Für noch mehr, nämlich zwei Drittel der Befragten, ist es Umfragen zufolge die ideale Wohnform. Das Einfamilienhaus ist heute eine allgegenwärtige Normalität, doch seine Geschichte ist kurz. Durchgesetzt hat es sich erst in den vergangenen 100 Jahren.

Ein Bauernhaus in Tirol
Großfamilie und „Gesinde” wohnten und arbeiteten unter einem Dach: Bauernhaus in Tirol, ©Haeferl

Vor der Industrialisierung: Gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten

Vor der Industrialisierung sind das Bauernhaus und das Bürgerhaus in der Stadt die häufigsten Wohnformen: Diese Häuser vereinen Wohnen und Arbeiten unter einem Dach. Üblicherweise leben neben der Kernfamilie auch weitere Verwandte und Beschäftigte wie beispielsweise Mägde oder Knechte in einem Haus.

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Ein Bauernhaus in Tirol
Die ersten Einfamilienhäuser entstanden im 19. Jahrhundert © Brunswyk

Die Villa des 19. Jahrhunderts

Die ersten Vorläufer des modernen Einfamilienhauses sind die Villen wohlhabender Bürger, die im 19. Jahrhundert am Rande der Städte entstehen. Sie bieten erstmals der Kleinfamilie einen intimen Rückzugsort. Die Architektur dieser großzügigen, repräsentativen Wohnhäuser orientiert sich oft an klassischen Vorbildern aus der Antike und der Renaissance. Ein wichtiger Einfluss sind auch die sogenannten Gartenstädte. Diese einheitlich geplanten Städte im Umland entstehen Anfang des 20. Jahrhunderts in England – als Reaktion auf die ungesunden und beengten Lebensverhältnisse in den stark gewachsenen Großstädten. Wachsender Wohlstand sowie die zunehmende Trennung von Wohnen und Arbeiten führen dazu, dass das Einfamilienhaus im 20. Jahrhundert auch für nicht-bürgerliche Schichten zum Ideal wird.

Links ein altes Haus, rechts eine Plakette mit der Aufschrift "Erstes Wüstenrot-Eigenheim in Österreich"
Das erste von der österreichischen Wüstenrot Bausparkasse finanzierte Eigenheim

Bausparen gegen die Wohnungsnot

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges lebt die Mehrheit der Bevölkerung jedoch weiterhin in ärmlichen Verhältnissen. Die Wohnungsnot ist groß. Während des Krieges wurde kaum gebaut, nach dem Krieg kommt es zu einer Flüchtlingswelle von Menschen aus den vormals zur Habsburgermonarchie gehörenden Gebieten. Inflation, Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit, Armut erschweren die Lage.

Eine Lösung für die Wohnungsnot bietet das Bausparen – eine gute Idee, die in den 1920er-Jahren an Fahrt aufnimmt: Eine Gruppe von Bauwilligen ohne Eigenkapital schließt sich zu einer Spar- und Darlehensgemeinschaft zusammen. Jeder zahlt jährlich einen festgelegten Betrag ein. Sobald das nötige Geld für den Bau eines ersten Eigenheims vorhanden war, erhält der erste Bausparer seine Zuteilung. Diese setzt sich aus seinem Teil des bisher Angesparten und einem – weitaus größeren – Darlehensbetrag der anderen Bausparer zusammen.

Unter dem Motto „Jeder Familie ein Eigenheim“ gründet Georg Kropp 1921 im schwäbischen Örtchen Wüstenrot die „Gemeinschaft der Freunde“ (GdF). Vier Jahre später kommt das Bausparen nach Österreich. 1925 wird in Salzburg die unabhängige Bausparkasse „Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot“ gegründet – der Ursprung der heutigen Wüstenrot-Gruppe. Schon im folgenden Jahr wird in Hallein bei Salzburg bereits das erste von Wüstenrot finanzierte Haus errichtet.

Haus in der Werkbundsiedlung in Wien, eine 1932 eröffnete Musterhaussiedlung mit 70 Häusern von 31 Architekten © C.Stadler-Bwag

Die 1920er und 1930er-Jahre: Sparsamkeit und Schlichtheit

Eigenheime werden in den 1920er- und 1930er-Jahren häufig im Rahmen von gemeinschaftlich geplanten Siedlungs-Projekten am Rande der Städte gebaut. Solche Projekte werden von der Regierung oder von Genossenschaften organisiert, um erschwinglichen Wohnraum für Arbeiterfamilien zu schaffen. In vielen Fällen bauen die zukünftigen Bewohner mit eigenen Händen an ihren Häusern mit, um die Baukosten zu senken.

Der Baustil in dieser Zeit ist geprägt von Sparsamkeit und Schlichtheit. Die Häuser sind in der Regel relativ klein – mit einer Wohnfläche von etwa 60 bis 100 Quadratmetern, zwei bis drei Zimmern, einer kleinen Küche und einem Bad. Ein eigener kleiner Garten dient vorwiegend der Versorgung der Familie mit Obst und Gemüse.

Einen wichtigen Einfluss für die Architektur und Einrichtung von Einfamilienhäusern übten seit den 1920er-Jahren vom Geist der Moderne geprägte Strömungen wie das Bauhaus, das „Neue Bauen” und die  „Neue Sachlichkeit” aus. Ihnen ging es um ein rationelles Bauen mit neuen Werkstoffen und Materialien, funktionale Lösungen, einfache, klare Formen ohne überflüssige Verzierungen oder Dekorationen. Sachlich-schlichte Möbel sollten praktisch und leicht zu pflegen sein.

Eingeschossig und Flachdach: klassischer Bungalow von 1963 ©Berlinger11

Die Nachkriegszeit: Das schützende Nest wird modern

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Wunsch nach einem sicheren Zuhause besonders groß. Viele Menschen haben ihre Häuser durch Bombenangriffe verloren und träumen von einem Neubeginn. Das Eigenheim wird zum schützenden Nest für die Familie. Neben individuell geplanten Häusern entstehen in den 1950er- und 1960er-Jahren auch viele Reihenhaussiedlungen und Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand.

Der Baustil ist zunächst, wie schon in der Vorkriegszeit, von Schlichtheit und Funktionalität geprägt. Viele Eigenheime entstehen in Eigenleistung oder mithilfe von Selbsthilfegruppen. Staatliche Förderprogramme und günstige Bauspardarlehen erleichtern den Hausbau.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950er-Jahren beginnt eine neue Phase. Häuser und Gärten werden erweitert. Im Garten weichen die Gemüsebeete Zierpflanzen und großen Rasenflächen. Der Nutzgarten verwandelt sich in ein „grünes Wohnzimmer“, zu einem Ort der Erholung und Freizeitgestaltung.

Wer modern sein will, baut in den 1960er-Jahren im Stil des Funktionalismus, mit klaren Formen, Flachdächern und großen Fensterflächen. Auch in Österreich wird der Bungalow, ein aus den USA stammender Baustil, populär: Bungalows sind eingeschossige Häuser mit flachem oder nur leicht geneigtem Dach. Sie bieten eine offene, großzügige Raumaufteilung. Große Fenster lassen viel Licht herein. 

Eine Frau mäht im Garten den Rasen
Garten in den 1960er-Jahren: Blumen und Rasen statt Gemüse

Die 1970er- bis1990er-Jahre: steigende Ansprüche

Der Hausbau in den 1970er- bis 90er-Jahren ist geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung und wachsender Individualisierung. Das Einfamilienhaus wird zum Statussymbol, die Gestaltung soll die Vorlieben und den Lebensstil der Bewohnenden verkörpern.

Die Ansprüche wachsen, die Häuser werden größer und komfortabler als in den vorherigen Jahrzehnten, sie bieten Platz für Gästezimmer, Arbeitszimmer, mehrere Bäder und Toiletten. Der Keller wird als Abstellraum oder für Hobbys genutzt. Offene Grundrisse mit zusammenhängenden Wohn- und Essbereichen werden immer beliebter, Terrassen oder Balkone erweitern den Wohnraum ins Freie. Zentralheizungen, Garagen oder Carports gehören zur Standardausstattung. Grillplätze, Schwimmbecken oder Teiche ergänzen die Gartengestaltung.

Durch den Ausbau des Straßen- und Nahverkehrsnetzes werden einstmals ländliche Regionen immer besser an die Städte angebunden. Auf der grünen Wiese entstehen ausgedehnte Einfamilienhausgebiete.

Neben traditionellen Materialien wie Ziegeln werden verstärkt Beton, Stahl und Glas eingesetzt. Seit den 1970er-Jahren gewinnen Fertighäuser an Popularität. Sie ermöglichen ein schnelles und kostengünstiges Bauen. Bauherren haben die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Modellen und Grundrissen zu wählen.

Immer mehr Bauherren entscheiden sich aber auch für individuell von Architekten entworfene Häuser. Diese sogenannten Architektenhäuser werden speziell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner zugeschnitten und bieten eine individuelle Gestaltung und innovative Raumkonzepte.

Eine Landstraße führt durch ein malerisches Tal
Dauertrend: Einfamilienhäuser im alpenländischen Landhausstil

Modern wir unmodern

In den 1970er- und 80er-Jahren gilt das Kubushaus als zukunftsweisend: So wie auch der Bungalow hat es eine klare, rechteckige Form, Flachdächer und große Glasfronten. Die Raumaufteilung ist offen, die Gestaltung folgt dem Grundsatz „Form folgt Funktion“.

Gegen den strengen Funktionalismus und die minimalistische Ästhetik der Moderne wendet sich in den 1980er-Jahren die Postmoderne. Sie beeinflusst besonders in den Städten und bei individuell geplanten Architektenhäusern die Gestaltung von Eigenheimen. Postmoderne Häuser zeichnen sich durch verspielte Formen und die Kombination unterschiedlicher Stile aus.

Besonders in den ländlichen Gegenden und Bergregionen baut man jedoch vorzugsweise  weder modern noch postmodern, sondern traditionsbewusst im Landhaus- oder alpenländischen Stil.

Nach der Jahrtausendwende: Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zentrale Themen beim Hausbau. Energiesparhäuser reduzieren den Energieverbrauch durch eine kompakte Bauweise, konsequente Wärmedämmung und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Der verbleibende Heizbedarf wird mit nachhaltigen Heizsystemen, beispielsweise Wärmepumpen gedeckt. Der dafür nötige Strom stammt idealerweise von einer eigenen Fotovoltaikanlage auf dem Dach.

Traditionelle, nachhaltige Baustoffe werden wiederentdeckt. Besonders Holz erfreut sich gerade in Österreich großer Beliebtheit. Das Baumaterial hat im Alpenraum Tradition, ist hier reichhaltig vorhanden und nachhaltig.

Einfamilienhäuser werden in einer Vielfalt unterschiedlicher Stile gebaut. Wer heute ein Fertighaus errichten möchte, hat die Qual der Wahl: klassisch, modern, nordisch, schwedisch, amerikanisch, mediterran, alpenländisch Bauhaus-, Landhaus- oder Designerstil.

Neue Herausforderungen

Steigende Immobilienpreise und Baukosten werden in den 2020er-Jahren zu einer Herausforderung. Für Familien wird es zunehmend schwierig, ein Eigenheim zu finanzieren – besonders in stadtnahen Gebieten. Coronakrise, Digitalisierung und Homeoffice befördern zusätzlich ein Bewegung raus aus den Städten, zum Wohneigentum im Umland oder in ländliche Regionen. Doch in Österreich ist noch viel Luft nach oben; die Eigentumsquote ist niedrig. Die Eigentumsquote bezeichnet den Anteil der Haushalte, die im eigenen Haus  oder in einer eigenen Wohnung leben. Sie stagniert in Österreich bei unter 50 Prozent – weit unter dem europäischen Durchschnitt von 70 Prozent. Doch das Einfamilienhaus ist und bleibt der Wohntraum vieler Österreicher.

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