Immer mehr Menschen haben Freude daran, Bienen zu halten. Dabei geht Imkern in der Stadt genauso gut wie auf dem Lande. Der Lebensraum Stadt ist für die Bienen sogar sehr gut geeignet, sagt Reinhard Hetzenauer, Präsident des Österreichischen Imkerbundes, im Interview.
Jetzt im August hat Reinhard Hetzenauer besonders viel zu tun. Bereits um 6:30 Uhr schaut der Präsident des Österreichischen Imkerbundes nach seinen Bienenvölkern, um die Honigwaben zu entnehmen. Das Bienenjahr ist vorbei und er muss die Waben für den Winter einrichten. In den frühen Morgenstunden ist es kühl und die Bienen sind ruhiger. Wird es wärmer, fliegen sie aus, um Nektar zu finden, was jetzt aber schwer ist, da die Blütezeit vorbei ist. Für MEIN LEBEN erklärt Reinhard Hetzenauer, worauf Stadt-Imker achten sollten und gibt Anfängern Tipps zur Bienenhaltung.
Man muss nicht gleich Imker werden, um Bienen zu unterstützen. Jeder kann in seinem Garten oder auf seinem Balkon bienenfreundliche Blumen, Gewürze und Kräuter anpflanzen. Bienenfreundliche Pflanzen sind Blumen, Stauden und Sträucher, die ein hohes Angebot an Nektar und Pollen haben und lange blühen. Und wer einen Garten hat, sollte den Einsatz von Pestiziden so weit wie möglich reduzieren und nicht bei jeder kleinen Laus sofort ein giftiges Mittel einsetzen. In den landwirtschaftlichen Schulen ist Bienenkunde ein Fach, damit die kommenden Landwirte die Wichtigkeit der Bienen kennenlernen und weniger Pestizide einsetzen.
Da gibt es viele Möglichkeiten – auch in der Stadt. Ob im Garten, auf dem Dach, der Terrasse, dem Balkon oder im Innenhof: Bienenstöcke kann man überall aufstellen, wenn man die Regeln beachtet. In Wien haben die Staatsoper, das Burgtheater und das naturhistorische Museum Bienenstöcke auf ihren Dächern. Und es gibt eine Stadtimkerei, die Honig aus den verschiedenen Bezirken vermarktet.
Das Imkern auf dem Land hat Tradition, dagegen ist Stadtimkern eine jüngere Entwicklung. Durch Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden haben Bienen auf dem Land gelitten und die Imker haben sich nach anderen Plätzen umgesehen. Die Bienen haben in der Stadt den Vorteil, dass die Städte viele bienenfreundliche Pflanzen bieten, sodass sie das ganze Jahr über ein Nahrungsangebot haben. Auf dem Land blüht die Wiese, aber wenn sie dann abgemäht wird, hat die Biene kein Nahrungsangebot mehr. Manche Imker wandern deshalb mit den Bienen dem Trachtangebot nach: Erst stehen sie beim Rapsfeld, dann bei den Obstplantagen, später bei Akazien und das letzte, was noch blüht, ist die Sonnenblume. In der Stadt lässt man die Bienen meist an einem Ort stehen. Ein Nachteil für den Imker in der Stadt ist es, dass er seine Bienenstöcke meist auf dem Dach aufstellt und dadurch die Betreuung etwas beschwerlicher ist, weil er sein Material hinauf und hinunter tragen muss. Für die Biene hat es keine Nachteile.
Grundsätzlich kann man Bienen überall halten, wenn man die gesetzlichen Vorgaben einhält. Die Gesetzgebung zur Bienenwirtschaft ist Landessache. Es gibt Abstandregeln, die sich jedoch von Bundesland zu Bundesand unterscheiden. In einigen Bundesländern ist die Bienenhaltung im Wohngebiet nicht erlaubt. Besonders unterstützt wird die Bienenhaltung im urbanen Raum zum Beispiel in Tirol. Bienengesundheit hingegen ist Bundessache. Bienenkrankheiten müssen überall gleich behandelt und einige müssen der Behörde gemeldet werden.
Weltweit gibt es ungefähr 20.000 Bienenarten. Besonders bekannt sind die Honigbiene und die Hummel. Mit insgesamt 703 Bienenarten hat Österreich die höchste Vielfalt an Wildbienen in Mitteleuropa. Bienen leisten neben der Produktion von Honig als Bestäuberinsekten einen besonders großen Beitrag für unser Ökosystem:Fast 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen werden von der Westlichen Honigbiene und 20 Prozent von Hummeln, Fliegen,Wildbienenarten,
Schmetterlingen und anderen Insekten bestäubt. Die weltweite Wertschöpfung der Biene liegt bei circa 265 Milliarden Euro. In Österreich ist die Zahl der Honigbienenvölker von 1995 bis 2015 um 25 Prozent gesunken – das sind mehr als 100.000 Bienenvölker. Mehr als die Hälfte der 703 in Österreich ansässigen Wildbienenarten ist bedroht. Experten führen den Bienenschwund auf eine Kombination aus verschiedenen Umwelteinflüssen zurück: Den Einsatz von Insektiziden, die schwindende Pflanzenvielfalt durch Monokulturen, den Klimawandel sowie einen vermehrten Befall durch Parasiten und Krankheitserreger.
Wer angeln geht oder einen besonderen Hund hat, muss eine Ausbildung nachweisen. Imker sein kann jeder, es gibt keine verpflichtende Ausbildung oder Schulung. Aber Bienenhaltung ist nicht so einfach, vor allem wegen der Varroamilbe. Von diesen Parasiten sind alle Bienenvölker befallen. Sie entwickeln sich in den Brutzellen und saugen dabei aus den Bienenmaden das Fett und Blut. Dadurch wird zuerst die einzelne Biene geschädigt und schlussendlich geht das ganze Volk zugrunde. Die Varroamilbe kommt ursprünglich aus Asien und hat sich inzwischen über ganz Europa verbreitet. Unsere Bienen können sich dagegen nicht wehren, deshalb muss der Imker regelmäßig Behandlung gegen die Varroamilbe durchführen.
Die Landesverbände bieten in Imkerkursen Grundlagenschulung an. Das ist aber zu wenig. Optimal ist es, wenn man sich für die ersten zwei Jahre einen Imkerpaten sucht, der einen begleitet. Es braucht etwas Erfahrung, um zu merken, dass es den Bienen nicht gut geht. Das erkennt man unter anderem am Flugverhalten am Flugloch. Bienen zu halten ist heute wegen der Varroamilbe viel schwieriger als vor 50 Jahren. Wer ohne Schulung oder Betreuung mit der Imkerei anfängt, wird nicht lange Bienen haben.
Der Imkerbund plädiert für klassische Bienenkästen. Moderne Bienenkisten oder andere Beuten (Anmerkung der Redaktion: Eine Bienenbeute ist die leere Behausung für Bienen. Ist das Volk „eingezogen“, wird aus der Bienenbeute ein Bienenstock.) können zum Problem werden, da man darin Brutkrankheiten nicht erkennen und dann schlecht behandeln kann. Das liegt an den verschiedenen Bauarten. Der Nachteil bei manchen Boxen ist, dass die Bienen selber bauen können wie sie wollen. Dann kann man die Wabe nicht einfach herausnehmen, sondern muss sie freischneiden.
Im Frühjahr sind die Preise für Bienenvölker höher als im Herbst. Unabhängig davon kostet der Start einige hundert Euro pro Bienenvolk. Das Volk und die Königin kosten zwischen 150 und 180 Euro. Der Preis für die komplette Bienenbeute mit Waben beträgt ungefähr 200 Euro. Dazu kommen noch Werkzeug und der Schutzanzug und später die Schleuder, um den Honig aus den Waben zu bekommen. In den folgenden Jahren sind die Kosten niedriger und man kann auch aus einem Volk ein zweites machen.
Nein, es gibt keinen Unterschied bei der Honigqualität zwischen Stadt und Land, sie ist weder besser noch schlechter. Die Bienen haben die Fähigkeit, bestimmte Gifte herauszufiltern und im Körper zu speichern.
Honig ist in der Bevölkerung ein beliebtes Lebensmittel, deshalb werden Imker ihren Honig sehr leicht im Bekanntenkreis los. Die erwerbsorientierten Imker vermarkten den Honig meist über Abfüllbetriebe. In Österreich haben wir bei Honig einen Selbstversorgungsgrad von 40 bis 45 Prozent. Das kann je nach Wetter von Jahr zu Jahr variieren. Aber wir haben grundsätzlich zu wenig, weshalb wir Honig importieren müssen. Das Schlimme ist: Honig ist das Lebensmittel, das am dritthäufigsten gefälscht wird. Besonders aus China kommt viel gefälschter Honig, der selbst für den Fachmann nicht zu erkennen ist. (Anmerkung der Redaktion: Eine gängige Methode ist, das Volumen durch das Hinzufügen von Sirup zu vergrößern). Auch aus diesem Grund wird Honig vom Imker in der Nähe von vielen Leuten geschätzt. Voraussetzung ist natürlich, dass man die Hygienestandards erfüllt. Jeder, der Honig verkauft, muss eine Hygieneschulung nachweisen. Die Lebensmittelkontrolleure können Stichproben machen und prüfen, wie zum Beispiel die Varroa-Behandlung durchgeführt worden ist. Es ist genau vorgeschrieben, welche Mittel zur Behandlung zugelassen sind.
Wer Imker werden will, sollte unbedingt Kontakt zu einem Verein in seiner Nähe aufnehmen. Der Anfänger wird in den ersten Jahren unterstützt. Ohne Schulung und Starthilfe wird er nicht lang Freude an seinen Bienen haben.
Reinhard Hetzenauer ist Präsident des Österreichischen Imkerbundes und lebt in Axams (Tirol). Er betreut zwischen 40 und 50 Bienenvölker der Rasse Carnica. Seine Bienenvölker „wohnen“ in der Stadt und am Land und zeitweise auch im Gebirge in 1.500 Metern Höhe. Die Bienenhaltung ist für ihn eine Beschäftigung mit der Natur und für die Natur und Umwelt.