Sie war 15, als Sabine Wiedenhofer mit ihrem ersten Freund drei Monate lang durch die USA reiste. Das gab ihr die Kraft, sich später gegen Widerstände durchzusetzen und eine erfolgreiche Künstlerin zu werden.
(Text aus 2017)
Noch immer legt sich ein samtener Klang in ihre Stimme, wenn sich Sabine Wiedenhofer (42) an ihre USA-Tour erinnert. „Es war so ein wahnsinniges Freiheitsgefühl damals“, sagt die Wienerin. Damals, das war 1989. Wiedenhofer war 15, hatte ihren ersten Freund und jede Faser ihres Körpers knurrte vor Erfahrungshunger. Sie wollte alles – „bloß kein Wischiwaschi-Leben“.
Der Traum von Amerika war ihr jeden Preis wert. Ein Jahr lang jobbte Wiedenhofer neben der Schule in einer Bikerkneipe, spülte Gläser, putzte Aschenbecher. „Dann hatte ich 70.000 Schillinge zusammengehackelt.“ Rund fünftausend Euro. Viel Geld für eine Schülerin.
Mit ihrem 17-jährigen Freund Wolfgang flog sie nach Miami. Er erwarb für 1.500 Dollar einen klapprigen Chevrolet Caprise Classic, Baujahr 1978, den er mit einer Restricted driving license tagsüber bis 16 Uhr fahren durfte. Nach vier Tagen benötigte das Gefährt bereits einen neuen Motor. „Wir waren bald ziemlich pleite“, lacht sie. Trotzdem schafften es die beiden drei Monate lang durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – bis sie San Francisco erreichten. Die österreichischen Schulferien überschwänzte sie großzügig um einige Wochen.
Bis heute zittert dieses Erlebnis in ihr nach. Aus der pubertierenden Abenteuerin ist eine gefeierte Künstlerin geworden. Wiedenhofer malt mit Öl und Acryl auf Leinwand, fotografiert ihre Gemälde und verändert die Aufnahmen digital. Ihre Werke hängen in einer Wiener Galerie neben Gemälden von Max Liebermann. Sie genießt ihren Erfolg und sagt: „Trotzdem darf man nie vergessen, woher man kommt.“
Aufgewachsen ist Wiedenhofer als einziges, „sehr braves Kind einer Arbeiterfamilie“ in einem Wiener Gemeindebau. Ihr Vater war Italiener, ihre Mutter flüchtete 1956 aus Ungarn. „Meine Eltern haben immer gearbeitet.“ Schon mit sechs Jahren war das Mädchen ein Schlüsselkind. „Oft fühlte ich mich fehl am Platz.“
Früh schuf Sabine sich eine parallele Fantasiewelt, malte, entwarf Kleider und beobachtete die Menschen. Einfühlsam, wie Kinder sein müssen, um sich zurechtzufinden, hat sie sich seither die Fähigkeit bewahrt, sich in andere Menschen einzuspüren und intuitiv ihre Stimmungen und Gedanken wahrzunehmen. Das macht verletzlich. Vielleicht ein Grund, weshalb Sabine Wiedenhofer auf ihre elegante Erscheinung achtet und niemals ungeschminkt auf die Straße geht. Make-up, gibt sie zu, ist für sie „wie eine Schutzhülle“.
„Geht nicht, gibt’s nicht!“, lehrte sie ihr Vater. In der Rückschau kommt es ihr vor, als habe sie ihren Freiheitsdrang immer auch in Stellvertretung für ihn ausgelebt. „Ich war ein Papakind.“ Der USA-Trip hat ihr bis heute die Gewissheit beschert, dass sie es schafft, ihre Träume zu verwirklichen. „Wer dieses Gefühl kennt, lässt sich nicht mehr verbiegen.“ Anstatt die Universität für angewandte Kunst zu absolvieren, wagte sie den Sprung in die Künstlerexistenz. Mit verschiedenen Jobs hielt sie sich über Wasser. Als Assistentin in der Urologie, im Reisebüro, in einer Werbeagentur.
Und sie malte, malte, malte. Die Freiheit als Frau tauchte als Motiv immer wieder auf. „Geschenkt ist mir nie etwas worden, ich musste immer selber rennen, damit ich ausstellen konnte.“ Seit vielen Jahren ist sie mit ihrem Florian verheiratet und nennt ihn den „Retter in meiner wilden Zeit“. Sohn Tobias ist 11, Tochter Sophia 9.
Als Künstlerin hat sie sich eine innere Unabhängigkeit bewahrt. Sie weiß: „Angst und Unsicherheit finden im Kopf statt.“ Von eigenen Zweifeln lässt sie sich nicht mehr beeindrucken. Wenn sie eine Idee für ein Kunstprojekt hat, „dann mache ich das einfach.“ Sollen andere Leute doch denken, was sie wollen! „Das muss einem egal sein. Wenn ein Kunstwerk heute nicht beim Publikum ankommt, dann vielleicht in zehn Jahren.“ Ein wirklicher Künstler ist seiner Zeit eben auch stets ein wenig voraus.