Immer mehr Menschen leiden unter Allergien. Das liegt auch an Klimawandel und Luftverschmutzung.
Die Augen jucken, die Nase läuft, man muss ständig niesen, das Atmen fällt schwer oder Magen und Darm leiden – Allergien lösen ganz unterschiedliche Symptome aus. Und das bei immer mehr Menschen: Die Zahl der Allergiker steigt in Österreich wie auch in vielen anderen Ländern seit Jahren an.Forschende sprechen sogar von einer „Allergie-Epidemie“. Laut erstem Österreichischen Allergiebericht war 2006 jede fünfte Person in Österreich gegen irgendetwas allergisch. Nur sechs Jahre später waren bereits etwa 37 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher betroffen, wie eine groß angelegte Langzeitstudie mit mehr als 11.400 Personen gezeigt hat. Vier Jahre später, 2016, stellten die Forschenden aus Wien in einer Nachfolgestudie einen Zuwachs um weitere 13 Prozent fest.
Bei einer Allergie handelt es sich um eine Überreaktion bestimmter Zellen auf eigentlich harmlose körperfremde Stoffe, die das Immunsystem als gefährlich einstuft und entsprechend bekämpft. Auslöser sind zum Beispiel Hausstaubmilben, eiweißhaltige Partikel auf dem Fell von Katzen, Hunden oder Pferden, Insektengift oder Nahrungsmittel. Am häufigsten lösen allerdings die Pollen von Bäumen, Sträuchern und Gräsern Symptome aus, die von juckenden Augen bis zu allergischem Asthma reichen. Rund 43 Prozent der Allergiker in Österreich leiden unter einer Pollenallergie, auch bekannt als Heuschnupfen. Wenn es im Frühjahr anfängt zu blühen, beginnt für Betroffene die Leidenszeit. Die dauert zum Teil bis in den Herbst. Spätblüher wie Ambrosia verursachen noch bis weit in den Oktober entsprechende Symptome. Heuschnupfen entwickelt sich meist bei Kindern zwischen dem 8. und 16. Lebensjahr. Inzwischen bekommen ihn aber auch immer mehr Menschen jenseits der 50 zum ersten Mal. Zudem wird die Haut im Alter durchlässiger für Schadstoffe. Bei vielen Menschen, egal welchen Alters, bleibt es nicht bei der einen Pollenallergie: Sie entwickeln Kreuzallergien und reagieren dann auch auf bestimmte Obst- oder Gemüsesorten, auf Haselnüsse oder Gewürze wie schwarzen Pfeffer allergisch.
Dass die Zahl der Allergiker steigt, hat mehrere Ursachen. Eine große Rolle spielt der Klimawandel: Die wärmeren Temperaturen führen zu einer Ausdehnung der Pollensaison: In Nordamerika beginnt sie 20 Tage früher und endet acht Tage später als 1990, wie Messdaten eines Forscherteams der University of Utah in Salt Lake City zeigen. In Europa sieht es ähnlich aus. Auch hier beobachten Forschende, dass der Pollenflug heute früher Jahr beginnt als noch vor 25 Jahren. Außerdem ist er intensiver geworden, denn bei mildem Klima vermehren sich die Pollen stärker. Zugleich verbreiten sich in Österreich aufgrund der Klimaveränderungen auch nicht-heimische Pflanzen wie die Beifuß-Ambrosie, die eine starke allergene Wirkung haben. Zudem wirkt das klimaschädliche CO2 auf Pflanzen wie ein Dünger: Bei der Fotosynthese atmen sie es ein und geben Sauerstoff wieder ab. Deshalb wachsen Pflanzen an viel befahrenen Straßen besonders gut.
Luftschadstoffe sind ein weiterer Faktor, der Allergien fördert. Unter dem Einfluss von Luftverschmutzung produzieren Pflanzen eine größere Dosis an Allergenen. So konnte ein Team des Instituts für Umweltmedizin (IEM) am Helmholtzzentrum München zeigen, dass Birken, die einer besonders starken Stickstoffdioxid- und Ozonbelastung ausgesetzt sind, mehr Pollen bilden, die überdies stärkere Symptome auslösen.
Feinstaub, bodennahes Ozon, Stickoxide oder Rußpartikel können außerdem die Schleimhäute der Atemwege schädigen und damit anfälliger für Allergien machen.
Allergien werden häufig vererbt. Auch hier spielt Luftverschmutzung eine Rolle, wie ein internationales Forscherteam festgestellt hat: Die Schadstoffe in der Umgebung können das Erbgut beeinflussen und dadurch biologische Abläufe verändern, die zu Asthma führen. Man spricht hier von epigenetischen Veränderungen: Epigenetische Mechanismen haben Einfluss darauf, wann welches Gen aktiviert oder ausgeschaltet wird. Die genetischen Informationen im Erbgut bleiben dabei unverändert. Studien zeigen, dass auch Rauchen epigenetische Veränderungen im Embryo hervorrufen kann und dadurch das Asthmarisiko der Kinder deutlich steigt.
Auch übermäßige Hygiene wird für den Anstieg von allergischem Asthma und Heuschnupfen in den Industrieländern und hier vor allem bei Stadtbewohnern verantwortlich gemacht. Die sogenannteHygienehypothese besagt, dass sich bei Kindern, die zum Beispiel auf dem Bauernhof aufwachsen und regelmäßig mit Schmutz und Keimen in Kontakt kommen, das Immunsystem besser entwickelt. Durch zu viel Hygiene sei unser Immunsystem hingegen unterfordert und reagiere allergisch auf harmlose Stoffe.
Die Ernährung scheint ebenfalls eine Rolle bei der Zunahme von Allergien zu spielen. Unser Darm ist das Zentrum unseres Immunsystems. Hochverarbeitete oder künstlich hergestellte Lebensmittel schaden ihm. Sie machen uns anfälliger für Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. So fand eine chinesische Forschungsgruppe heraus, dass Menschen, die mindestens dreimal pro Woche Fast Food aßen, häufiger an Atemnot, Asthma und allergischem Schnupfen litten. Alkohol fördert ebenfalls allergische Symptome oder kann sie verstärken.
Um zu erreichen, dass Menschen Allergien gar nicht erst entwickeln, arbeitet die Forschung an Impfstoffen. Noch sind keine zugelassen. Doch Forschungsteams der Medizinischen Universität Wien haben bereits einen Impfstoff gegen die Gräserpollen-Allergie entwickelt und jüngst die Grundlage für die Entwicklung eines weiteren Impfstoffs geschaffen, der vor Allergien gegen die weit verbreiteten Beifuß-Pollen schützt.
Wer bereits Heuschnupfen hat, sollte den Kontakt zu Auslösern von Allergien vermeiden. Betroffene Gartenbesitzer sollten auf bestimmte Pflanzen verzichten: beispielsweise auf Haselnuss, Birke, Weide, Korbblütler wie Löwenzahn, Kamille, Schafgarbe, Chrysantheme, Arnika oder Beifuß, Thuja, Zypressen und Bambus.
Beim Pollenwarndienst der Medizinischen Universität Wien können Betroffene die tagesaktuelle Pollenbelastung abrufen. Das kann bei der Tages- oder Urlaubsplanung helfen: Allergiker können sich bei besonders starkem Pollenflug dann in Innenräumen aufhalten. Im Idealfall können sie zudem ihren Urlaub so planen, dass sie die Hauptbelastungszeit im Heimatland meiden und stattdessen dort hinfahren, wo die Allergie auslösenden Pollen noch nicht oder nicht mehr fliegen. In den Bergen und an windigen Küsten ist die Pollenbelastung generell deutlich geringer.
Auch Lüften zur richtigen Tageszeit ist wichtig. Auf dem Land ist die Pollenbelastung zwischen 18 und 24 Uhr am geringsten, in der Stadt zwischen 6 und 8 Uhr morgens. Autofahrer unter den Pollenallergikern sollten bei starkem Pollenflug die Fenster beim Fahren geschlossen halten. Hilfreich ist auch eine Lüftung mit Pollenfilter. In den meisten neuen Autos sind sie bereits eingebaut. Zu Hause helfen Luftreiniger mit sogenanntem HEPA-Filter. HEPA steht für High Efficiency Particulate Air, also hocheffiziente Partikelluft. Sie reinigen die Luft von kleinsten Schwebstoffen und sind deshalb auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gefragt.
Wer das Gefühl hat, eine Allergie entwickelt zu haben, sollte das unbedingt von einem Facharzt (zum Beispiel einem Allergologen oder Lungenarzt) diagnostizieren und behandeln lassen. Denn allergisches Asthma kann chronisch werden, sich negativ auf die Lebensqualität auswirken und im schlimmsten Fall tödlich enden. Gängige Behandlungsmöglichkeiten sind Allergietabletten (Antihistaminika), kortisonhaltige Nasensprays oder eine sogenannte Hyposensibilisierung, bei der das Immunsystem schrittweise an den allergieauslösenden Stoff gewöhnt wird.