Assistenzhunde helfen psychisch oder physisch eingeschränkten Menschen im Alltag und können Leben retten. Doch vorher müssen sie eine lange Ausbildung absolvieren. Und längst nicht jeder besteht die Prüfungen.
Alma wuselt am Boden herum. Die gar nicht mehr so kleine schwarze Labradordame ist etwas aufgeregt, liegt dann aber auf Befehl brav auf ihrer Decke. Sie hat einen festen Platz im Leben von Corinna Stadlhuber. Aber es ist klar: Alma, die erst vor zehn Monaten in das Wiener Reihenhaus eingezogen ist, wird Corinna, ihren Mann und ihre beiden Kinder schon bald wieder verlassen. Denn Alma wird als Assistenzhund ausgebildet. Als Patenfamilie übernehmen die Stadlhubers die Aufzucht und Sozialisierung, bis die Hündin ein Jahr alt ist.
Assistenzhunde helfen psychisch oder physisch eingeschränkten Menschen im Alltag. Sie erkennen beispielsweise Unter- oder Überzuckerung, begleiten blinde Menschen oder Menschen mit Autismus oder melden Epilepsieanfälle, bevor sie entstehen. Assistenzhunde genießen nach abgelegter Prüfung viele Freiheiten: Sie brauchen keinen Maulkorb und dürfen sich mit den von ihnen begleiteten Menschen in Hotels, Gaststätten und anderen touristischen Einrichtungen aufhalten. Auch Krankenhäuser, Lebensmittelgeschäfte und Taxis stehen ihnen offen. Bei der Österreichischen Bundesbahn werden Assistenzhunde zudem kostenlos transportiert.
Das alles unterscheidet sie übrigens von Therapiehunden, die keine derartigen Rechte in der Öffentlichkeit haben. Äußerlich erkennt man die Hunde an einem geschützten Logo, das sie auf ihren Kenndecken, Führergeschirren, Halsbändern beziehungsweise Brustgeschirren tragen. Außerdem sind sie im Behindertenpass der betroffenen Person eingetragen.
Damit solche Freiheiten in der Öffentlichkeit möglich sind, müssen Assistenzhunde hohe Standards einhalten. „Zu diesen Vorgaben gehört zum Beispiel, nicht zu schnüffeln oder das Ignorieren von anderen Menschen und Hunden“, erklärt Lara König, leitende Assistenzhundetrainerin des Österreichischen Assistenzhunde-Zentrums (ÖAZ). Das muss den Hunden von klein auf beigebracht werden.
Verantwortlich für die Ausbildung der Hunde sind qualifizierte Hundetrainer. Diese unterstützen entweder Besitzer, die bereits einen Welpen haben, oder trainieren Hunde, die anschließend an eine betroffene Person übergeben werden. Für den zweiten Fall versuchen die Hundetrainer Patenfamilien wie die Stadlhubers zu finden, die die Aufzucht im ersten Lebensjahr begleiten. Einzelpersonen sind hierfür ungeeignet, denn es kommt darauf an, die Hunde möglichst vielen Reizen auszusetzen.
Aber nicht nur die Ausbildung, auch das angeborene Wesen des Hundes sind für die Qualifikation zum Assistenzhund entscheidend: „Wesensfestigkeit, Verträglichkeit, kein Jagdtrieb, Freundlichkeit und Arbeitswillen sind nur ein paar der Eigenschaften, welche ein Assistenzhund mitbringen muss“, so König.
Ob ein Hund später das Leben eines Menschen bei Unterzuckerung oder Epilepsie retten kann, ob er Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung und Kindern mit fetalem Alkoholsyndrom oder Autismus den Alltag bewältigen hilft, das zeigt sich oft schon kurz nach der Geburt. „24 Stunden nachdem sich der Welpe vom Geburtsstress erholt hat und unabhängig von Umweltfaktoren und Prägung ist, kann man den Charakter des Welpen erkennen“, sagt Assistenzhundetrainerin König. „Die endgültige Eignung stellen wir bei Welpen am 49. Lebenstag fest.“ Ein Test zeigt dann, für welche Art von Hilfe der Hund sich eignet.
Bis zu 38.000 Euro kann die Ausbildung eines Assistenzhundes kosten. Die Finanzierung erfolgt durch staatliche Stellen, Eigenmittel und Spenden. Erst nach 18 Monaten ist der Hund bereit für die strengen Prüfungen durch das Messerli Forschungsinstitut an der veterinärmedizinischen Universität in Wien. Zwei Prüfungen gibt es: Bei der Qualitätsprüfung werden Sozial- und Umweltverhalten, Gehorsam des Assistenzhundes und die Fähigkeit zu bestimmten Hilfsleistungen überprüft. Bei der Teamprüfung steht das Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier im Fokus. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die zukünftigen Hundehalter mit ihrem Assistenzhund harmonieren.
„Nur etwa jeder siebte Hund schafft die Prüfung“, sagt Patenhundemutter Corinna Stadlhuber. Das ganze erste Jahr über ist die Familie in engem Kontakt mit dem Trainer, geht einmal wöchentlich zum Hundetraining und absolviert diverse Tierarzttermine. „Für einen Welpen ist das echt anstrengend. Für uns als Familie aber auch“, erklärt Corinna Stadlhuber.
Alma stammt aus einem speziellen Zuchtprogramm. Damit hat sie gute Chancen, Assistenzhund zu werden. Dafür müssen die Stadlhubers sie anders behandeln als einem normalen Welpen. Beispielsweise darf kein zweiter Hund im Haus sein.
„Anfangs haben wir sogar eine Rampe vom Wohn- ins Esszimmer gehabt, damit Alma keine Treppen steigen muss. Ballspielen war auch verboten“, erzählt Corinna. Das alles beugt möglichen Erkrankungen des Skeletts vor. Denn der häufigste Ausschlussgrund sind gesundheitliche Probleme.
Der tierärztliche Check nach der ersten Läufigkeit ist für Alma eine der ersten Hürden hin zum Assistenzhund. Bei anderen Patenfamilien hat Corinna schon von Allergien, Hüft- und Nierenprobleme oder bakterielle Infektionen durch Zeckenbissen gehört. Doch Alma hat alle Tests bisher mit Bravour bestanden.
Wenn die Hunde nach etwa 12 Monaten ihre Patenfamilie verlassen, verbringen sie noch ein halbes Jahr mit ihren Hundetrainern, um das Tier auf die Prüfungen und die zu begleitende Person vorzubereiten. „Erst beim Aufeinandertreffen zeigt sich, wie der Bewerber und der Hund in Interaktion treten und sich dabei verhalten“, sagt Assistenzhundetrainerin Lara König. Ein gutes Team kann nur entstehen, wenn Mensch und Hund zusammenpassen. „Schließlich müssen beide einander in jeder Situation vertrauen“, so König.
Auch in der Zeit nach der Übergabe begleitet die Trainerin Hunde wie Alma noch weiter: „Mir ist es wichtig, immer ein Ansprechpartner zu bleiben und Kontakt zu halten, nicht nur für die Qualitätssicherung“, erklärt Lara König. „Auch sich einschleichende Fehler können so früh erkannt und behoben werden.“
Obwohl von Anfang an klar war, dass der Aufenthalt nur für eine begrenzte Zeit sein würde, hat Familie Stadlhuber eine enge Bindung zu Alma aufgebaut. Vor allem den Kindern wird der Abschied schwer fallen, sagt Corinna. Ein Trost ist das Engagement für die gute Sache. Fertig ausgebildet ist Alma für ihren neuen Partner eine Bereicherung, wenn nicht sogar Lebensretterin. „Wir geben der Gemeinschaft etwas wieder, indem wir diesen Hund aufziehen“, sagt sie. Auch verlieren die Patenfamilien den Kontakt zu ihren Pfleglingen heutzutage nicht ganz, erklärt Corinna Stadlhuber „Wir dürfen zum Beispiel die Urlaubsbetreuung übernehmen, wenn der Hund nicht mitreisen kann.“
Neben dem Österreichischen Assistenzhunde-Zentrum (ÖAZ) qualifizierten sich in den vergangenen Jahren auch andere Ausbildungsstätten für Assistenzhunde beim Messerli Forschungsinstitut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Eine Liste findest du hier . Die Kosten für einen Assistenzhund werden in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen gefördert. Die Richtlinien und Bestimmungen dazu sind hier zu finden.