Ein Waldspaziergang steigert die Gesundheit in den sieben darauffolgenden Tagen, lautet die These des japanischen Professors Qing Li. Die heilende Wirkung der Natur wird inzwischen nicht nur in Japan erforscht. Ahorn und Pinie statt Aspirin und Paracetamol?
Bewegung ist gesund, saubere Waldluft sowieso und eine Wanderung durch den Forst somit eine optimale Kombination. Richtig angestellt entfaltet das tiefe Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes, das sogenannte Waldbaden, sogar eine heilende Wirkung. Shinrin-yoku heißt der intensive Genuss von Geräuschen, Gerüchen und anderen Eindrücken, die uns der Wald vermittelt, in Japan. Im Land der aufgehenden Sonne ist das Waldbaden schon seit den 1980er Jahren ein Trend, bei dem das zur Ruhe Kommen im Mittelpunkt steht.
Auf ablenkende Faktoren wie Smartphone, Kamera und gesprächige Begleiter sollte man verzichten, damit sich die Sinne einzig und allein auf den Wald konzentrieren. Ein Zwang zu Meditation ist das aber nicht: Wer lieber läuft, läuft. Wer sich gerne eine Stunde auf den Waldboden legt, tut eben das. „Schau dir die Farben der Bäume an, atme tief ein, hör die Blätter rauschen“, schreibt Dr. Qing Li in seinem Buch Forest Bathing. Li ist Professor an der Nippon Medical School in Tokio und Präsident der Japanischen Gesellschaft für Wald-Medizin. „Waldgänge klären deine Gedanken“, sagt der Experte.
Vom Landwirtschaftsministerium gefördert, befassen sich in Japan selbst Universitäten mit der einfachen, aber doch wirkungsvollen Therapieform. So fanden die Forscher heraus, dass ein Aufenthalt im Wald nicht nur Blutdruck, Kortisolspiegel (Kortisol ist ein Stresshormon) und Puls sinken lässt, auch die Lungenkapazität steigert sich, die Elastizität der Arterien wird verbessert und der Körper findet Kraft, das Immunsystem zu stärken.
Doch wie kommt es zu dieser heilenden Wirkung? Der österreichische Biologe Clemens Arvay spricht von einem „Biophilia-Effekt“. „Wenn Sie die Luft in einem Wald einatmen, dann atmen Sie einen Cocktail aus bioaktiven Substanzen, die von Pflanzen an die Waldluft abgegeben werden“, schreibt Arvay in seinem gleichnamigen Buch. Der Clou: Einige davon interagierten auf höchst gesundheitsfördernde Weise mit unserem Immunsystem und stärkten dieses. „Waldluft ist wie ein Heiltrunk zum Einatmen“, ist Arvay überzeugt.
Wer nun ebenfalls in den Genuss der heilenden Waldwirkung kommen möchte, hat hierzulande viele Gelegenheiten, denn mit über 83.880 Quadratkilometer Waldfläche gehört Österreich zu den waldreichsten Ländern Europas. Dank des Forstgesetzes von 1975 darf jedermann grundsätzlich den Wald zur Erholung besuchen. Ausnahmen sind Betretungsverbote durch Behörden oder wenn Flächen für den Anbau verwendet werden sowie Wieder- und Neubewaldungsflächen. Für alle anderen Flächen gilt: Nutze die wertvolle Ressource Wald und probiere das Waldbaden einfach mal aus. Im Gegensatz zu anderen Trends hat Shinrin-yoku nämlich einen unschlagbaren Vorteil: Es kostet nichts.
Tipp: Lies auch unseren Artikel zum Rothwald, Österreichs letztem Urwald.