Ernährungstherapeut und -berater Sven Bach
Meine Gesundheit

„Die einfachste Abnehm-Methode der Welt“

Mehr bewegen, gesünder essen - da bleibt es oft nur beim Vorsatz. Die Folgen zeigen sich auf der Waage. Du willst zusätzliche Kilo loswerden? Der Ernährungsexperte Sven Bach glaubt zu wissen, wie das geht.

Lesedauer: 4 Min.

Herr Bach, es gibt so viele Diäten, die wahre Wunder versprechen. Doch meistens sind sie ungesund, wenig nachhaltig und schwer durchzuhalten. Ihre Minus-20%-Regel klingt einfach. Was steckt dahinter?

Die Minus-20%-Regel ist die einfachste Abnehm-Methode der Welt. Sie lässt sich von jedem anwenden und funktioniert, ohne dass man sich massiv einschränken muss. Sie beruht schlicht und einfach auf dem Prinzip, weniger Kalorien zu sich zu nehmen als zu verbrauchen. Das heißt, wir drehen an der Ernährungsweise und sorgen zusätzlich für Bewegung.

Das klingt prima. Kann ich damit gleich morgen loslegen?

Nein, der erste Schritt ist eine zweiwöchige Vorbereitung. Während dieser Zeit sollte man in einem Ernährungstagebuch jeden Tag notieren, was und wie viel man isst und trinkt. Wirklich alles. Auch die kleinen „Sünden“. Die Lebensmittel sollten zumindest anfangs auch gewogen werden. Dann rechnen Sie jeweils die Kalorienmenge aus. Das kann eine Ernährungsfachkraft vornehmen oder man bedient sich eines „Lebensmittel-Kalorien-Rechners“ im Internet oder entsprechender Apps.

 Danach berechnen Sie Ihren tatsächlichen Tagesbedarf an Energie. So bekommen Sie überhaupt erst einmal ein Gefühl dafür, wie viel Sie eigentlich essen dürfen, um Ihren Bedarf zu decken.

Und wie finde ich heraus, wie mein tatsächlicher Tagesbedarf an Kalorien ist? Das muss ich doch wissen, wenn ich weniger zu mir nehmen soll als ich benötige?

Ganz genau. Dafür gibt’s zunächst die einfache Formel:

Grundumsatz x Leistungsumsatz = Gesamtenergiebedarf, also das, was man täglich an Kalorien benötigt.

Um den Grundumsatz, also die Energiemenge, die der Körper in Ruhe braucht um zu funktionieren, auszurechnen, gibt es verschiedene Formeln. Ich benutze in meiner Praxis die Harris-Benedict-Formel. Keine Sorge, sie ist nicht so kompliziert, wie sie aussieht. Der Grundumsatz ist bei

Männern: 66,47 + (13,75 x Körpergewicht in kg) + (5 x Körpergröße in cm) – (6,76 x Alter);

Frauen: 655,1 + (9,6 x Körpergewicht in kg) + (1,85 x Körpergröße in cm) – (4,68 x Alter).

Beim Körpergewicht ist das Wunschgewicht, und nicht das aktuelle Körpergewicht anzugeben, um nicht den Grundumsatz für das höhere Gewicht zu errechnen. Jetzt haben wir den Grundumsatz ausgerechnet, benötigen aber noch den Leistungsumsatz.

Was bedeutet der Leistungsumsatz und wie kriege ich ihn heraus?

Er beschreibt die Energie, die der Körper durch Aktivitäten tagsüber zusätzlich zum Grundumsatz braucht. Er wird mithilfe des sogenannten PAL-Wertes angegeben. PAL steht für „Physical Activitiy Level“. Er ist ein Maß dafür, wie viel man sich am Tag bewegt und gibt ein grobes Bild davon, wie viele Kalorien verbrannt werden. Im Internet finden Sie Tabellen mit PAL-Werten. Alte, gebrechliche Menschen, die überwiegend sitzen oder liegen, haben einen PAL-Wert von 1,2. Bei Menschen, die gehende und stehende Tätigkeiten ausüben, wie etwa Verkäufer, Kellner, Handwerker und Hausfrauen liegt er zwischen 1,8 und 1,9 und bei körperlichen Anstrengungen, wie sie Bergleute, Landwirte, Waldarbeiter oder Hochleistungssportler leisten, zwischen 2,0 und 2,4. Jetzt multipliziert man also den ausgerechneten Grundumsatz mit dem PAL-Wert und hat als Ergebnis seinen individuellen täglichen Bedarf an Kalorien beziehungsweise Energie. Dieser erste Schritt klingt etwas aufwendig, das ist er aber nicht.

Zur Person

Sven Bach ist Ernährungstherapeut und Autor mehrerer Ratgeberbücher. Neben der Beratung von Einzelpersonen berät er Unternehmen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. Sven Bach wirkte auch am Windhund-Programm mit. 

Nun habe ich meinen Kalorienbedarf ausgerechnet. Was ist der nächste Schritt?

Jetzt können Sie im Prinzip zwei Wege beschreiten, mit denen Sie abnehmen können. Erster Weg: Sie gehen Ihr Ernährungstagebuch durch, in dem Sie ermittelt haben, was Sie tatsächlich essen und trinken. Nun streichen Sie davon 20 Prozent der Kalorien, die Sie täglich zu sich nehmen. Dafür eignen sich am besten die Dinge, auf die Sie verzichten können. Sie haben aber auch Ihren persönlichen Bedarf ausgerechnet, der zum Beispiel 2.400 Kalorien beträgt, haben jedoch festgestellt, dass Sie in Wirklichkeit 3.000 Kalorien zu sich nehmen. Das ist der zweite Weg, den Sie einschlagen können. Sie streichen die 600 Kalorien, die über Ihrem Bedarf liegen. Keine Sorge, das muss nicht auf die Kalorie genau stimmen, aber in etwa sollte es hinkommen.

Wie ermittele ich 20 Prozent von meinen täglichen Nahrungsmitteln?

Es gibt einen Trick, mit dem Sie ein Gefühl für die Energiemenge in Nahrungsmitteln bekommen. Die Messgröße sind 1.000 Kalorien, 20 Prozent davon sind 200 Kalorien. Schauen Sie auf eine Kalorientabelle, dann sehen Sie, wie schnell 200 Kalorien zusammenkommen. Einige Beispiele für Lebensmittel, die ungefähr 200 Kalorien enthalten und die ich auch in meinem Buch „Abnehmen mit der MINUS-20%-REGEL“ aufliste: Ein halber Liter Bier, eine Flasche Cola, eine halbe Currywurst, ein Drittel Döner, zwei Esslöffel Kartoffelsalat mit Mayo, ein halbes Stück Schwarzwälder Kirschtorte... Sie sehen, auf viele Dinge, die wir zwischendurch trinken und essen, kann man gut verzichten, ihre Lieblingsspeisen können Sie aber weiterhin genießen.

Martina Amon und Sven Bach beraten Unternehmen bei der betriebliche Gesundheitsförderung.
Martina Amon und Sven Bach beraten Unternehmen bei der betriebliche Gesundheitsförderung.

Darf man auch weniger oder mehr als 20 Prozent seines Tagesbedarfs reduzieren?

Ich rate allen Menschen, die übergewichtig sind, mit der Minus-20%-Regel zu beginnen, ganz gleich, ob die Hose am Bündchen etwas kneift, der Reißverschluss vom Kleid nur schwer zugeht oder starkes Übergewicht das Problem ist. Nach vier Wochen kann man die Regel anpassen. Purzeln die Pfunde zu schnell, reduziere ich um zehn Prozent. Geht es mir zu langsam, erhöhe ich auf 30 Prozent. Es kommt natürlich auch auf das Maß des Übergewichtes an. Bringt jemand 15 Kilogramm zu viel auf die Waage, reichen schon zehn Prozent Reduktion, bei etwa 30 Kilogramm sollten es 20 Prozent sein, und darüber, bei massivem Übergewicht 30 Prozent.

Muss ich auf alles, was lecker ist und mir schmeckt verzichten...?

Nein, keinesfalls. Das zeichnet ja gerade die Minus-20%-Regel aus. Man sollte gerade nicht an den geliebten Lebensmitteln sparen. Der Vorsatz „Ich mache eine Diät und esse nie wieder Schokolade“ funktioniert doch höchstens zwei Wochen. Man muss sich die Gesamtmenge des Esstages anschauen und vom Gesamten 20 Prozent wegnehmen. Essen Sie zum Frühstück zum Beispiel zwei statt drei Scheiben Toast, trinken statt jeden nur noch jeden zweiten Mittag ein Soft Drink und nehmen abends statt zwei Brötchen mit Belag nur noch eines und eine kleine Scheibe Brot. Damit sind 20 Prozent der Tagesenergie gestrichen.

Abnehmen mit der MINUS-20%-REGEL

Sven Bach, Benjamin Breitmaier

Humboldt Ratgeber 2019

Wie lässt sich die Minus-20%-Prozent-Regel in den Arbeitsalltag integrieren?

Das geht wunderbar. Essen Sie zum Beispiel mittags in der Kantine bisher Vorspeise, Hauptgericht, Nachspeise und trinken dazu 500 Milliliter Apfelsaft, genehmigen Sie sich jetzt eine Apfelschorle aus 200 Milliliter Apfelsaft und 300 Milliliter Wasser und verzichten einen Tag auf die Vorspeise, den anderen auf das Dessert. So sparen Sie täglich zirka 250 Kalorien ein und das ohne allzu großen Verzicht.

Wie finde ich das richtige Gewicht für mich heraus?

Zunächst einmal ist es ganz wichtig, dass jeder Mensch individuell verschieden ist und es nicht das Maß gibt. Eine grobe Einschätzung bietet sicher der Body-Mass-Index (BMI). Um ihn zu berechnen, setzt man das Körpergewicht in Bezug zur Körpergröße. Also Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat. Also nehmen wir an, Sie sind 1,70 Meter groß und wiegen 80 Kilogramm. Dann rechen Sie 1,70 mal 1,70, macht 2,89. Dann teilen Sie Ihr Gewicht 80 durch 2,89. Sie haben einen BMI von 27,7, aufgerundet von 28. Das bedeutet: leichtes Übergewicht. Als „normal“ wird ein BMI von 18,5 und 24,9 angesehen.

Welche anderen Faktoren spielen beim Abnehmen noch eine Rolle?

Die Bewegung zum Beispiel ist wichtig. Sie unterstützt das Abnehmen, stärkt die Muskeln und regt den Stoffwechsel an. Im Alltag einfach mal die Treppe benutzen statt Fahrstuhl, sich aufs Fahrrad schwingen statt ins Auto, zum Bäcker um die Ecke zu Fuß gehen. Über den Tag verteilt summiert sich die tägliche Bewegung. Schwimmen, Fahrradfahren, Spaziergänge und Nordic Walking sind gute Möglichkeiten, die Ausdauer zu trainieren, zusätzlich empfehle ich moderate Kraftübungen. Anfangs reichen zehn Minuten Bewegung täglich. Das Ziel ist, an fünf Tagen die Woche eine halbe Stunde aktiv zu sein, davon sollten zwei Tage aufs Krafttraining fallen.

In jüngster Zeit sind die Kohlehydrate etwas in Verruf geraten. Was ist da dran?

Die Ernährungswissenschaft empfiehlt, den Eiweiß-Anteil in der Ernährung zu erhöhen und den von Kohlehydraten zu senken. Tierisches Eiweiß ist unter anderem in Fleisch und Fisch enthalten, in Eiern, Milch und Milchprodukten; pflanzliches Eiweiß kommt zum Beispiel in Samen, Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten vor. Kohlehydrate kommen in Obst vor, Brot, Kartoffeln, Reis oder Nudeln. Ein einfaches Beispiel: Statt drei Toast mit Marmelade frühstücken Sie zwei Toast und belegen diese stattdessen mit Quark und Marmelade oder genießen einen Joghurt dazu. So haben Sie gleich den morgendlichen Eiweißbedarf des Körpers abgedeckt. Reduzieren Sie das morgendliche Müsli und ergänzen Sie es mit Nüssen oder Nussmus, haben Sie den gleichen Effekt.

Was darf ich essen, wenn ich zwischen den Mahlzeiten Hunger habe?

Wenn Sie abnehmen möchten sollten Sie keine Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen. Denn wenn man alle zwei bis drei Stunden etwas isst, vielleicht noch zuckerreiche Speisen wie Obst, Smoothies, Kekse oder Schokolade, schwankt der Blutzuckerspiegel ständig auf und ab. Das führt zu einem immer wieder auftretenden Hungergefühl und einer schlechten Fettverbrennung. Wenn Sie es absolut nicht aushalten, dann essen Sie etwas Eiweißreiches wie zum Beispiel Naturjoghurt oder Nüsse. Das sättigt und lässt den Blutzuckerspiegel nicht so ansteigen.

Sie setzen sich neben der Ernährungsberatung in Ihren Praxen auch für die betriebliche Gesundheitsförderung ein...

Gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Martina Amon betreibe ich die „Esswert GmbH & Co. KG“ (www.esswert.com). Wir bieten Unternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich Lösungen für die betriebliche Gesundheitsförderung an. Dazu gehören Vorträge, Firmenevents, Kantinenversorgung, Kochworkshops oder ernährungstherapeutische Beratung, digital oder vor Ort. Für „Windhund Workplace“ (www.windhund.com), ein Unternehmen, das wiederum Gesundheitsapps für Mitarbeiter von Unternehmen vertreibt, haben wir Inhalte zum Thema Ernährung und Stress entwickelt.

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