Trockenheit, Starkregen und Schädlinge: Welche Gartenpflanzen sind Verlierer oder Gewinner des Klimawandels? Darüber sprach MEIN LEBEN mit dem Gartenarchitekten Clemens Lutz.
Herr Lutz, die letzten Sommer waren sehr trocken und heiß, die Winter mild. Welche Probleme bereitet der Klimawandel den heimischen Pflanzen und Böden?
Die Welt ist kein starres System, Veränderungen gibt es permanent. Vor der Eiszeit waren zum Beispiel Magnolien und Tulpenbäume in Teilen von Europa heimisch. Beim derzeitigen Klimawandel ist die Geschwindigkeit jedoch so hoch, dass die Natur sich oft nicht schnell genug anpassen kann. Die Natur hat üblicherweise Lösungen für Probleme dieser Art, aber durch die menschlichen Eingriffe der letzten Jahrhunderte ist diese natürliche selbstregulatorische Kraft geschwunden. Durch Artenarmut und Monokulturen in Land- und Forstwirtschaft haben wir das natürliche Immunsystem systematisch geschwächt. Deshalb sind die zu erwartenden Schäden durch den Klimawandel heftiger als sie sein müssten.
Welche Auswirkungen hat das?
Einigen Pflanzen bereiten die Hitze und Trockenheit unmittelbar Stress. Dazu gehören zum Beispiel Birken und Fichten. Diese Pflanzen sollte man daher in heißen und trockenen Gebieten nicht mehr verwenden. Beim Boden liegt das Hauptproblem im Wechsel aus längeren Trockenperioden und Starkregen, weil die ausgetrockneten und durch die industrialisierte Landwirtschaft ausgemergelten Böden die Flüssigkeit nicht mehr aufnehmen können. Zusätzlich sind an manchen Orten Probleme mit Neophyten, also neu eingewanderten Pflanzen, oder zugewanderten Schädlingen wie dem Buchsbaumzünsler zu beobachten. Aber die Auswirkungen sind nie isoliert zu sehen. Mit Trockenheit kommen manche Garten-Pflanzen sehr gut zurecht: Schneerosen, Salbei, Lavendel und Rosmarin zum Beispiel. Sie brauchen dafür aber durchlässige Böden und möchten auf keinen Fall automatisch bewässert werden.
Was raten Sie Hobbygärtnern, die ihren Garten an den Klimawandel anpassen wollen?
Hier kann man an vielen Punkten ansetzen: Man kann auf Pflanzen verzichten, die besonders viel Wasser benötigen. Der Rasen ist zum Beispiel eine Intensivkultur, die sehr viel Dünger und Wasser braucht. In Kalifornien hat sich vor etwa zehn Jahren ein Trend weg vom Rasen hin zum Wüstengarten mit Kakteen entwickelt, die schauen auch toll aus. Die andere Möglichkeit ist, der Natur generell zu helfen. Ein gesunder Boden und eine Vielfalt an Pflanzen und Nützlingen helfen der Natur bei der Selbstregulation. Guter Boden kann nicht nur viel mehr Wasser aufnehmen, er gibt es auch wohldosiert an die Pflanzen ab. Um ihm dabei zu helfen, gilt es, direkte Sonneneinstrahlung durch Bepflanzung zu vermeiden und darauf zu achten, dass immer gut gemulcht ist. Mulch aus organischen Materialien wie Rinde, Laub oder Kies verhindert die Austrocknung des Bodens. Auch Sträucher und Bäume bieten Schatten und bremsen den Wind. Ganz wichtig für den Boden ist Humus, er ist der Schwamm, der Wasser und Nährstoffe speichert. Deshalb sollte man nicht alles Laub sofort entfernen, sondern Laub und Mulch zu Humus verrotten lassen.
Kann ich mit dem eigenen Garten auch etwas gegen den Klimawandel tun?
Mit meinem Garten etwas gegen den Klimawandel zu tun, ist strategisch schwierig, weil die Fläche zu klein ist. Aber ich kann darauf achten, das Klima nicht weiter zu belasten und das Ökosystem zu stärken. Ein Baum an der richtigen Stelle kann eine Klimaanlage ersetzen. Rasen hingegen benötigt sehr viel Wasser, Dünger und oft auch Unkrautvernichter. Und er bietet Tieren kaum Nahrung und Schutz.
Welche Fehler sollte ich vermeiden?
Durch Pflegearbeiten wird regelmäßig Biomasse aus dem Garten entfernt. Ersetze ich diese gar nicht beziehungsweise durch Kunstdünger, verarmt der Boden von Jahr zu Jahr. Bäume und Sträucher holen ständig Nährstoffe aus dem Boden und produzieren damit Blätter. Wenn ich Laub und Schnittgut aufsammle und entferne, benötige ich Säcke mit kompostierter Erde, um dem Boden die Nährstoffe zurückzugeben. Besser ist es, das Laub vor Ort verrotten zu lassen, dann benötige ich keinen neuen Boden.
Welche Pflanzen vertragen das aktuelle Klima in Österreich besonders gut?
Wir beobachten beim Klima vor allem lange Trockenzeiten, Starkregenereignisse und eine generelle Erwärmung über alle Jahreszeiten. Eine der wesentlichen Beschränkungen für den Einsatz von Gartenpflanzen ist die Winterhärte. Der Klimawandel begünstigt daher im Vergleich zu früher trockenheitsresistente und kälteempfindliche Pflanzen. Pflanzen die für uns immer Italien-Stimmung verbreiteten, sind nun in begünstigten Lagen verwendbar. Ich denke da zum Beispiel an immergrüne Magnolien oder Feigenbäume. Die Trockenheit hilft vor allem Pflanzen, die mit zu viel Niederschlag im Winter nicht zurechtkommen. Lavendel, Rosmarin und einige andere Kleingehölze sind bei uns winterhart, wenn sie trocken genug stehen.
Gibt es bestimmte Pflanzenmischungen, auf die man achten sollte, zum Beispiel Schatten spendende Bäume und Boden bedeckende Stauden?
Kaum ein Ort ist in der Sommerhitze angenehmer als ein Baumschatten. Im Sinne der oft schon angesprochenen Vielfalt schafft ein Garten mit sonnigen und schattigen Bereichen Lebensraum für unterschiedlichste Pflanzen, Tiere und auch Menschen. Die einen lieben die Sonne, andere wiederum den Schatten. Wichtig ist es, die richtigen Pflanzen an die richtigen Orte zu setzen und Aufenthaltsmöglichkeiten da und dort zu schaffen. Da sich durch das Wachstum von Bäumen und Sträuchern der Schatten ausbreitet sind Staudenmischungen ideal, die sich anpassen können und sich im Lauf der Jahre mit dem Baum verändern.
Haben Teiche oder Hügel klimatische Vorteile?
Der Teich ist eine vom umgebenden Erdreich durch Folie oder andere Mittel völlig getrennte Wasseransammlung und hat durch seine Verdunstung eine gewisse Wirkung auf das Klima im Garten. Ein Baum hat aber eine viel größere klimatische Wirkung. Der Vorteil beim Teich liegt eher in der Biotopvernetzung. Tiere, die Feuchtigkeit brauchen, können sich besser vermehren, verbreiten und überleben. Hügel schaffen ein Kleinklima, das aber eher beim Gemüseanbau gebraucht wird. Steine heizen sich tagsüber auf und geben nachts die Wärme ab. Deshalb findet der Weinanbau auf den Azoren immer in kleinen Steinmulden statt. Wer bei uns beispielsweise Melonen anpflanzen will, kann dies nachahmen und mit Steinen warme Stellen schaffen.
Kann man Schädlinge auch nachhaltig bekämpfen?
Eine Alternative zur Schädlingsbekämpfung mit Gift ist der Einsatz von Nützlingen. Man kann sich mittlerweile Nützlinge per Post schicken lassen. Gegen den Dickmaulrüssler zum Beispiel helfen Nematoden, das sind mikroskopisch kleine Fadenwürmer, die die Larven des Dickmaulrüsslers fressen. Und Marienkäfer fressen gerne Blattläuse. Gegen Schädlingsbefall hilft auch Pflanzenvielfalt: Wird eine Monokultur befallen, habe ich ein Riesenproblem, deswegen ist eine gemischte Staudenpflanzung besser. Eine typische Pflanze, die heute stärker als früher von Schädlingen befallen wird, ist der Bux. Wenn ich heute Bux pflanze, muss ich ihn fünfmal im Jahr mit sehr viel Chemie spritzen. Das wollen die Leute aber nicht mehr, deshalb wird der Bux oft durch robustere Pflanzen wie die Eibe oder die Kriechende Heckenkirsche ersetzt.
Worauf achten Sie, wenn Sie einen Garten, eine Dachterrasse oder einen Hanggarten planen?
Meine Hauptaufgabe ist es, den Kunden zuzuhören und herauszufinden, was sie möchten. Wenn die Kundenwünsche und das Budget klar sind, mache ich einen Entwurf, in den auch die landschaftlichen Gegebenheiten und eigene Ideen einfließen. Der Entwurf soll stimmig und interessant sein und hat viele klare technische Nebenbedingungen: Er muss zu bauen sein, muss statisch funktionieren, die Pflanzen müssen verankerbar sein und mit dem Klima und dem Boden gut zurechtkommen. Für die Kunden sind Faktoren wie Pflegeleichtigkeit und Kosten bisher wichtiger als ökologische Aspekte, aber das Bewusstsein für den Klimawandel und die Auswirkungen für Gärten hat deutlich zugenommen.
Clemens Lutz hat sein Atelier für Gartenarchitektur mit Schauraum im Wienerwald, einem geschützten Waldgebiet unmittelbar nördlich von Wien. Er entwirft hauptsächlich private Gärten und Dachgärten und bietet bei Bedarf auch gerne die Ausführung seiner Projekte an. Wichtig ist ihm bei seiner Arbeit der Einsatz großzügiger, landschaftlicher Pflanzungen und die stimmige und kontrastreiche Verwendung künstlicher Materialien von der Pergola über Wegebau bis hin zu Möbel und Beleuchtung.